Entscheidungsstichwort (Thema)
Innerbetriebliche Stellenbesetzung und Benachteiligungsverbot. Benachteiligung wegen des Geschlechts. Ablehnung einer Bewerberin. Fristberechnung. Zur Anwendung der materiellen Ausschlußfrist des § 611 a Abs. 4 BGB auf Entschädigungsansprüche, die vor dem Inkrafttreten des 2. GleichberechtigungsGes. vom 24.06.1994 (BGBl. I S. 1406) entstanden sind. Diskriminierung
Normenkette
BGB § 611a Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Urteil vom 18.07.1995; Aktenzeichen 5 Ca 2335/94 N) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 18.07.1995 (Aktenz.: 5 Ca 2335/95 N) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die am 08.08.1951 geborene Klägerin ist seit dem 01.01.1977 bei der Beklagten beschäftigt. Sie hat eine Ausbildung in dem Lehrberuf „Industriekaufmann” erhalten und im März 1969 die Kaufmannsgehilfenprüfung bestanden (s. Prüfungszeugnis/Kaufmannsgehilfenbrief, Bl. 52 d.A.). Am 16.01.1975 hat die Klägerin die staatliche Abschlußprüfung der Wirtschaftsfachschule in der Fachrichtung Betriebswirtschaft bestanden (– und zwar mit dem gewählten Zentralfach „Personal- und Ausbildungswesen”; s. Zeugnis der Rheinischen Akademie e.V. Köln – Wirtschaftsfachschule –, Bl. 58 d.A.). Ausweislich der Teilnahmebestätigungen der VHS Altenkirchen/Außenstelle Hamm/Sieg vom 09.06.1992 und vom 11.02.1992 war die Klägerin Teilnehmerin der Kurse „Einführung in die EDV” und „Integrierte Software: Works” (– jeweils 12 Doppelstunden s. die Bestätigungen Bl. 50 f d.A.).
Seit Oktober 1986 wird die Klägerin als Sekretärin des Betriebsrates beschäftigt. Im Frühjahr 1994 schrieb die Beklagte betriebsintern zwei Arbeitsplätze „Personalsachbearbeiter/innen” aus; auf den Inhalt dieser Ausschreibung (s. Bl. 4 d.A.) wird verwiesen. Mit dem Schreiben vom 05.06.1994 (Bl. 5 d.A.) bewarb sich die Klägerin fristgerecht um eine der beiden ausgeschriebenen Stellen. Für die beiden Arbeitsplätze erhielt die Beklagte insgesamt ca. 10 Bewerbungen. Die Beklagte war sehr daran interessiert, neben einem weiblichen auch einen männlichen Personalsachbearbeiter einzustellen. Die Beklagte besetzte die beiden Stellen mit der Bewerberin … und dem Bewerber … war seinerzeit im Leverkusener Betrieb der Beklagten zum Industriekaufmann ausgebildet worden und arbeitete anschließend neun Monate lang in seinem erlernten Beruf. Er verließ die Firma auf eigenen Wunsch, um sich einem BWL-Studium zu widmen, das er allerdings nach drei Semestern beendete.
Mit dem Schreiben vom 15.08.1994 (Bl. 8 d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin – unter Bezugnahme auf deren Bewerbung – u.a. mit:
„… leider müssen wir Ihnen heute mitteilen, daß wir uns anderweitig entschieden haben. Wir dürfen Ihnen aber versichern, daß uns die Entscheidung nicht leicht gefallen ist und diese keinerlei Werturteil in persönlicher Hinsicht beinhaltet …”.
Dieses Ablehnungsschreiben ist der Klägerin noch im August 1994 zugegangen.
Mit der vorliegenden Klage, die der Beklagten am 09.12.1994 zugestellt wurde, macht die Klägerin gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch geltend, den sie aus der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts ableitet. Sie verlangt eine Entschädigung in Höhe eines (Brutto-)Monatsgehalts.
Die Klägerin hat vorgetragen,
daß ihre Bewerbung allein wegen ihres Geschlechts nicht berücksichtigt worden sei; dies sei schon daraus ersichtlich, daß von vorneherein beabsichtigt gewesen sei, nur einen männlichen Bewerber zu berücksichtigen.
Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes wird gemäß § 543 ZPO Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des ArbG Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 18.07.1995 – 5 Ca 2335/94 N – (dort S. 2 f = Bl. 33 f d.A.).
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen (sinngemäß) darauf abgestellt, daß die Klägerin nicht schlüssig dargelegt habe, daß sie den in der Ausschreibung genannten Anforderungen entspreche. Gegen das ihr am 12.08.1995 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts vom 18.07.1995 hat die Klägerin am 21.08.1995 Berufung eingelegt und diese am 20.09.1995 begründet.
Im Berufungsverfahren legt die Klägerin – unter Bezugnahme auf den Kaufmannsgehilfenbrief vom 20.03.1969, das Zeugnis über die staatliche Abschlußprüfung der Wirtschaftsfachschule vom 16.01.1975 („staatlich geprüfter Betriebswirt”) sowie die Teilnahmebestätigungen vom 11.02.1992 und vom 09.06.1992 dar, daß sie die in der Ausschreibung verlangten Anforderungen erfülle. Die einzige Voraussetzung, über die die Klägerin nach Auffassung der Beklagten offensichtlich nicht verfügt habe, sei – so meint die Klägerin – die des männlichen Geschlechtes gewesen. Die Beklagte habe von Anfang an beabsichtigt gehabt, die Stelle – entgegen der anders lautenden Ausschreibung – nur mit einem männlichen Bewerber zu besetzen. Gerade dies stelle ...