Entscheidungsstichwort (Thema)
Einseitige Verringerung der Arbeitszeit einer Kraftfahrerin bei den US-Stationierungsstreitkräften
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Bestimmungen in § 9 TVAL II und in Nr. 2 des Anhangs F zum TVAL II berechtigen die Arbeitgeberin, durch einseitige Anordnung die Arbeitszeit zu verlängern und in derselben Weise wieder bis auf das Maß der tariflichen Normalarbeitszeit zu verkürzen; dabei ist es für die Befugnis der Arbeitgeberin, die Arbeitszeit nach diesen Bestimmungen zu reduzieren, ohne Belang, ob die vorherige Ausdehnung der Arbeitszeit von den tariflichen Vorschriften gedeckt war.
2. Das Recht der Arbeitgeberin, eine wirksam angeordnete Arbeitszeitverlängerung ganz oder teilweise wieder rückgängig zu machen, besteht erst Recht dann, wenn die Verlängerung der Arbeitszeit tarifwidrig war.
3. Die Reduzierung der Arbeitszeit auf 40 Stunden pro Woche entspricht billigem Ermessen im Sinne von § 106 GewO, wenn die mit einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Arbeitnehmerin ausdrücklich unter Hinweis auf ihre Gleichstellung (wenn auch unter Nennung einer unzutreffenden Vorschrift) beantragt hat, sie "zukünftig gem. .. SGB VIII von Überstunden freizustellen"; Mehrarbeit im Sinne von § 124 SGB IX ist jede über acht Stunden werktäglich hinausgehende Arbeitszeit.
Normenkette
SGB IX § 124; TVAL II § 9; TVAL-II § 9 Nr. 4; TVAL II § 9 Anhang F Nr. 2 Buchst. a
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 30.04.2013; Aktenzeichen 8 Ca 23/13) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 30.4.2013, Az.: 8 Ca 23/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit einer Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit der Klägerin. Darüber hinaus begehrt die Klägerin die Nachzahlung von Arbeitsvergütung.
Die Klägerin ist seit dem 01.09.1980 bei den US-Stationierungsstreitkräften als Kraftfahrerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung die Bestimmungen des TVAL II Anwendung.
Zum 01.01.1993 wurde die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin von damals 38,5 Stunden auf 43,5 Stunden erhöht. Diesbezüglich existiert eine an die Klägerin gerichtete schriftliche "Mitteilung über den Stand des Arbeitsverhältnisses" vom 21.12.1992, nach deren Inhalt die Arbeitszeit der Klägerin auf 43,5 Stunden pro Woche ausgedehnt wird. Die tatsächliche Arbeitszeit der Klägerin belief sich jedoch bis September 2011 auf 45 Stunden wöchentlich und in der Folgezeit nach Behauptung der Klägerin sogar auf 57,5 Stunden, nach Behauptung der Beklagten auf ca. 46,5 Stunden pro Woche.
Mit Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 06.09.2012 wurde die Klägerin, die ausweislich eines ärztlichen Attestes vom 24.09.2012 (Bl. 15 d. A.) u. a. unter chronischen Schmerzen leidet, einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.
Mit Schreiben vom 25.09.2012 unterrichtete die Klägerin die US-Stationierungsstreitkräfte über die erfolgte Gleichstellung. Des Weiteren beinhaltet das betreffende Schreiben u. a. folgende Ausführungen:
Für unsere Mandantin beantragen wir im Übrigen,
diese zukünftig gem. § 74 SGB VIII von Überstunden freizustellen.
Des Weiteren beantragen wir für unsere Mandantin hiermit nochmals schriftlich die
Reduzierung der Arbeitszeit unserer Mandantin auf 40 Stunden mit einer Verteilung wie folgt: Montag bis Donnerstag, je 10 Stunden, freitags frei.
Daraufhin wurde der Klägerin mit Schreiben des zuständigen Personalbüros vom 02.12.2012 mitgeteilt, dass ihre Arbeitszeit ab dem 01.11.2012 auf wöchentlich 40 Stunden reduziert und dabei auf fünf Tage pro Woche verteilt werde.
Entsprechend dieser Ankündigung wurde die Klägerin ab November 2012 nur noch 40 Stunden wöchentlich beschäftigt. Ihre monatliche Arbeitsvergütung reduzierte sich dadurch um 217,31 EUR brutto.
Am 11.09.2012 verließ die Klägerin bereits um 13.59 Uhr ihren Arbeitsplatz. Ihre Arbeitsvergütung wurde daraufhin für den betreffenden Monat um 42,93 EUR (entsprechend dem für drei Stunden zu zahlenden Arbeitsentgelt) gekürzt.
Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 30.04.2013 (Bl. 90 bis 93 d. A.).
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin 43,5 Stunden wöchentlich zu beschäftigen;die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 260,24 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 30.04.2013 abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 bis 8 dieses Urteils (= Bl. 94 bis 96 d. A.) verwiesen,.
Gegen das ihr am 14.05.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 04.06.2013 ...