Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats,. Tariflohnerhöhung. Tariflohnerhöhung in 2 Stufen. Zulagen. freiwillige Zulagen
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf außertarifliche Zulagen und sonstige freiwillige Leistungen besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. § 87, I Ziff. 10 BetrVG, wenn die Anrechnung nicht lediglich individualrechtlich erfolgt, sondern kollektiven Inhalt hat. Dies ist dann der Fall, wenn die Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf außertarifliche Zulagen dazu führt, dass die Verteilungsgrundsätze geändert werden. Auch in diesem Fall entfällt jedoch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, soweit tatsächliche oder rechtliche Hindernisse entgegen stehen. Ein tatsächliches Hindernis liegt vor bei der Reduzierung des Zulagenvolumens auf 0, während ein rechtliches Hindernis bei einer vollständigen und gleichmäßigen Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf außertarifliche Zulagen gegeben ist.
2. Bei einer Tarifvereinbarung, die Tariflohnerhöhungen in zwei Stufen vorsieht, besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, wenn der Arbeitgeber lediglich die Tariflohnerhöhung in der zweiten Stufe auf die außertarifliche Zulage anrechnet. Dies gilt auch dann, wenn die Anrechnung der zweiten Stufe der Tariflohnerhöhung vollständig und gleichmäßig auf die Zulagen aller Arbeitnehmer angerechnet wird. Wenn der Tariflohnerhöhung in zwei Stufen eine einheitliche Konzeption zugrunde liegt, muss dies auch für deren Anrechnung auf übertarifliche Zulagen gelten. Bei einer Anrechnung auf beide Stufen der Tariflohnerhöhung verbliebe für die bezweckte Ersparnis ein Gestaltungsspielraum, der vom Betriebsrat zu beeinflussen wäre.
Die Anrechnung lediglich der zweiten Stufe der Tariflohnerhöhung auf die außertariflichen Zulagen unterfällt deshalb dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. § 87, I Nr. 10 BetrVG.
Normenkette
BetrVG § 87
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 27.06.2002; Aktenzeichen 6 Ca 891/02) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.06.02 – Az.: 6 Ca 0891/01 – wird kostenfällig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung einer außertariflichen Zulage für die Monate Mai bis Oktober 2001 in Höhe von insgesamt 1.129,48 EUR in Anspruch. Um diesen Betrag hat die Beklagte die ihm bis Mai 2001 gezahlte außertarifliche Zulage unter Anrechnung einer zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Tariferhöhung gekürzt.
Der Kläger ist bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund beiderseitiger Tarifbindung die Bestimmungen der Tarifverträge für die Pfälzische Metall- und Elektroindustrie Anwendung. Der Kläger erhält neben seinem Tarifgehalt und einer tariflichen Leistungszulage eine außertarifliche Zulage. Diese belief sich bis April 2001 auf 114,19 DM. Im Mai 2001 trat eine Tariflohnerhöhung um 2,1 % in Kraft, die das Tarifentgelt und die Leistungszulage des Klägers um insgesamt 90,48 DM steigerte. Diese Tariflohnerhöhung rechnete die Beklagte auf die außertarifliche Zulage an, so dass der Kläger seit Mai 2001 als außertarifliche Zulage nur noch 23,72 DM erhält.
In gleicher Weise verfuhr die Beklagte bei allen anderen Arbeitnehmern, die eine außertarifliche Zulage erhielten; sie minderte die außertarifliche Zulage um den Betrag der Tariflohnerhöhung im Rahmen des ihr rechtlich Möglichen, d.h. bis zum Wegfall der außertariflichen Zulage.
Die im Mai 2001 in Kraft getretene Tariflohnerhöhung von 2,1 % war Teil einer Tarifvereinbarung vom Mai 2000, nach der die Tariflöhne ab Mai 2000 um 3 % und in der zweiten Stufe ab Mai 2001 nochmals um 2,1 % angehoben wurden. Nur die letzte Tariferhöhung vom Mai 2001 um 2,1 % hat die Beklagte auf die außertarifliche Zulage mit der Folge angerechnet, dass die Zulage teilweise ganz entfiel, teilweise um die Tariferhöhung gekürzt wurde.
Der Kläger hält die Kürzung der außertariflichen Zulage für unwirksam, weil die Beklagte das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 8, I Nr. 10 BetrVG nicht beachtet habe. Zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber sei auch keine Vereinbarung über die Anrechnung zustandegekommen; auch eine formlose Regelungsabrede habe es nicht gegeben.
Der Kläger beziffert die für die Monate Mai bis Oktober 2001 entstandenen Rückstände auf 1.129,48 EUR und hat demzufolge beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.129,48 EUR brutto nebst Zinsen aus 376,49 EUR brutto in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit 01.09.2001, aus 564,74 EUR brutto in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit 13.11.2001 und aus 188,25 EUR brutto in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit 15.02.2002 zu zahlen.
…
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, sie habe die am 01.05.2001...