Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesstrennung bei Anspruchshäufung. Spezialität des § 1 ÄArbVtrG vor § 14 Abs. 2 TzBfG bei Befristungsabreden. Grundsätze zur Vertragsauslegung. Weiterbildung als wirksamer Befristungsgrund i.S.d. § 1 ÄArbVtrG
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Prozesstrennung nach § 145 ZPO dient dazu, einen durch Anspruchshäufung kompliziert gewordenen Streitstoff zu gliedern und übersichtlicher zu gestalten. Sie soll vornehmlich einer Verschleppung des ganzen Prozessstreits wegen einzelner Teile entgegenwirken. Dabei ist eine Trennung grundsätzlich nur dann am Platze, wenn sich ein abgrenzbarer Teil des Klagebegehrens voraussichtlich rascher entscheiden lassen wird als ein anderer Teil.
2. § 1 ÄArbVtrG enthält Sonderregelungen für die Befristung von Arbeitsverträgen zur Weiterbildung von Ärzten, die die Befristungsmöglichkeit nach § 14 Abs. 2 TzBfG ausschließen. Lediglich außerhalb der Weiterbildung können angestellte Ärzte nach § 14 Abs. 2 TzBfG sachgrundlos befristet beschäftigt werden.
3. Willenserklärungen und Verträge sind so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch außerhalb der Vereinbarung liegende Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Im Zweifel ist derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben, die zu einem vernünftigen, widerspruchsfreien Ergebnis führt und den Interessen beider Vertragspartner gerecht wird.
4. Bei der Beurteilung, ob die Beschäftigung des Arztes seiner zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung dient, ist nicht auf die tatsächlich erfolgte Beschäftigung während der Vertragslaufzeit abzustellen, sondern auf die im Zeitpunkt des Abschlusses des befristeten Arbeitsvertrags insoweit bestehenden Planungen und Prognosen.
Normenkette
ÄArbVtrG § 1; BGB §§ 133, 157; TzBfG § 14 Abs. 2; ZPO §§ 145, 147, 138, 260, 286 Abs. 1; BGB § 612a; HeilBG-RP § 30 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 14.07.2021; Aktenzeichen 3 Ca 91/21) |
Tenor
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 14. Juli 2021 - 3 Ca 91/21 - teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt neu gefasst:
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der im Änderungsvertrag unter dem Datum "11. Februar 2020" vereinbarten Befristung zum 31. Dezember 2020 geendet hat.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen
II.
Die Kosten des Rechtstreits für die erste Instanz haben die Beklagte zu 3/4 und der Kläger zu 1/4 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 31. Dezember 2020 geendet hat und ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger als Arzt in Weiterbildung zu beschäftigen.
Die Beklagte ist eine Reha-Klinik für Psychosomatik. Der Kläger ist Arzt. Vor Beginn des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten hat er eine Weiterbildung zum Facharzt begonnen.
Der Kläger bewarb sich bei der Beklagten mit E-Mail vom 4. Februar 2019 (Bl. 106 f. dA) als "fortgeschrittener Assistenzarzt" auf eine nachfolgend auszugsweise wiedergegebene Stellenanzeige (Bl. 16 dA):
"Arzt (m/w) für Bereitschaftsdienste
...
Zur Unterstützung unserer Behandlungsteams suchen wir zum nächstmöglichen Zeitpunkt Sie als Arzt (m/w) für Bereitschaftsdienste (Nacht und / oder Wochenende).
...
Unser Angebot für Sie:
- Eine angenehme und kollegiale Arbeitsatmosphäre in einem interdisziplinären und kompetenten Behandlungsteam
- Unterstützung durch unsere Oberärzte
- Fort- und Weiterbildungsangebote"
In seiner Bewerbungs-E-Mail führte der Kläger ua. aus:
"Konditionen mit WB-Zeugnis:
Anstellungsverhältnis (Arbeitsvertrag) zu 70 Euro/h Stundenlohn, 40h Woche, 3 Monate Mindestlaufzeit (WB Voraussetzung, es können aber Urlaubszeiten /Freistellungszeiten abgesprochen und eingebaut werden)
- gerne auch längerfristig -
Ohne WB - Zeugnis: 90 Euro"
Nach einem Vorstellungsgespräch mit den weiterbildungsbefugten Oberärzten, Dr. E. und Dr. F., in dem Herr Dr. E. erklärte, zur Zahlung von 90 Euro für die Tätigkeit ohne Weiterbildung bestehe keine Bereitschaft, erhielt der Kläger einen Vertragsentwurf (Bl. 17 f. dA), der auszugsweise folgenden Inhalt hatte:
"§ 1 Allgemeine Regelungen
(1) Der Arbeitnehmer tritt mit Wirkung am 15.03.2019 als Assistenzarzt im Bereitschaftsdienst in die Dienste der Arbeitgeberin ein. Das Arbeitsverhältnis wird befristet abgeschlossen und endet am 14.03.2020, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Eine Verlängerung hat rechtzeitig und schriftlich zu erfolgen.
(2) ...
(3) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt max. 10 Bereitschaftsdienste pro Monat.
(4) Der Arbeitnehmer erhält eine Vergütung in Höhe von 65,00 EUR brutto je Bereitschaftsdienststunde.
...
Die Vergütu...