Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers durch die Urlaubsgewährung. Kein Verschulden des Arbeitgebers an der Unmöglichkeit des Urlaubs durch coronabedingte Quarantäneanordnung. Keine analoge Anwendung des § 9 BUrlG auf Fälle häuslicher Quarantäne während des Urlaubs

 

Leitsatz (amtlich)

§ 9 BUrlG findet keine analoge Anwendung, wenn sich ein nicht arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer während seines Urlaubs aufgrund einer Absonderungsanordnung in Folge seines Kontakts zu einer am Coranavirus infizierten Person in häusliche Quarantäne begeben muss.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Mit der Festlegung des Urlaubszeitraums und der vorbehaltlosen Zusage des Urlaubsentgelts hat der Arbeitgeber als Schuldner nach § 7 Abs. 1 BUrlG alles Erforderliche getan. Alle danach eintretenden urlaubsstörenden Ereignisse fallen entsprechend § 275 Abs. 1 BGB als Teil des persönlichen Lebensschicksals grundsätzlich in den Risikobereich des einzelnen Arbeitnehmers.

2. Kann der Freistellungserfolg des Urlaubs durch eine Quarantäneanordnung nicht eintreten, kommt eine Haftung des Arbeitgebers auf Schadensersatz gem. §§ 275 Abs. 1, 280 Abs. 1 Satz 2 BGB nur in Betracht, wenn er die Unmöglichkeit zu vertreten hat. Allein der Umstand, dass der Kontakt einer Krankenschwester mit einem infizierten Patienten während der Arbeit stattgefunden hat, reicht nicht für die Annahme einer Sorgfaltspflichtverletzung des Arbeitgebers aus.

 

Normenkette

BGB § 243 Abs. 2, § 249 Abs. 1, § 275 Abs. 1, § 280 Abs. 1, § 283 S. 1, §§ 326, 362 Abs. 1; BUrlG §§ 10, 7 Abs. 1, § 9; ZPO §§ 308, 533

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 17.08.2021; Aktenzeichen 4 Ca 234/21)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 17.08.2021 - 4 Ca 234/21 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Urlaubskonto der Klägerin sieben Tage des bewilligten Erholungsurlaubs aufgrund einer nachträglich angeordneten Quarantäne wieder gutzuschreiben.

Die 1957 geborene Klägerin ist seit dem 1. Januar 1997 bei der Beklagten als Krankenschwester beschäftigt.

Für die Zeit vom 09. bis 20. November 2020 wurde der Klägerin auf ihren Antrag Erholungsurlaub gewährt.

Aufgrund eines Kontaktes zu einer mit dem Coronavirus (SARS-CoV-2) infizierten Person wurde gegenüber der Klägerin von der Stadtverwaltung C-Stadt zunächst am 12. November 2020 telefonisch und dann mit Schreiben vom 16. November 2020 (Bl. 5 - 7 d. A.) schriftlich bestätigt eine Absonderung in sog. häusliche Quarantäne bis einschließlich 22. November 2020 angeordnet. Arbeitsunfähig erkrankt war die Klägerin in dieser Zeit nicht. Der Kontakt war während ihrer Arbeit bei der Beklagten mit einem Patienten erfolgt.

Mit Schreiben vom 02. März 2021 (Bl. 8, 9 d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte auf, die in die Zeit der häuslichen Quarantäne vom 12. bis 20. November 2020 fallenden sieben Urlaubstage analog § 9 BUrlG ihrem Urlaubskonto wieder gutzuschreiben. Das lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 18. März 2021 (Bl. 10, 11 d. A.) ab.

Mit ihrer am 29. März 2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin diesen von ihr geltend gemachten Anspruch weiterverfolgt.

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 17. August 2021 - 4 Ca 234/21 - und ergänzend auf die erstinstanzlich eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihrem Urlaubskonto weitere sieben Urlaubstage gutzuschreiben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 17. August 2021 - 4 Ca 234/21 - hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

Gegen das ihr am 3. September 2021 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 16. September 2021, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 17. September 2021 eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 3. Dezember 2021 mit Schriftsatz vom 15. November 2021, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 24. November 2021 eingegangen, begründet.

Die Klägerin trägt vor, das Arbeitsgericht sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass ihr Urlaubsanspruch nicht erfüllt worden sei, weil für die Erfüllung nach § 362 BGB der Erfolg und nicht der Versuch maßgeblich sei. Für sie habe nämlich unstreitig im streitgegenständlichen Zeitraum keine Arbeitspflicht bestanden, weil sie aufgrund der hoheitlich angeordneten Absonderung ihrer geschuldeten Tätigkeit als Krankenschwester nicht habe nachgehen können. Fehlerhaft seien dann aber die rechtlichen...

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