Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines ehemals als persönlicher Referent des Präsidenten der Struktur-und Genehmigungsdirektion beschäftigten Arbeitnehmers wegen Verletzung der Nebenpflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Landes und wegen Verletzung der Verpflichtung zur Verschwiegenheit durch Mitteilung interner dienstlicher Angelegenheiten an einen größeren Personenkreis

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Landes und die Verletzung der Verpflichtung zur Verschwiegenheit durch Mitteilung interner dienstlicher Angelegenheiten an einen größeren Personenkreis über einen umfangreichen E-Mail-Verteiler rechtfertigt zwar nicht die außerordentliche, aber die ordentliche, verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1; LPersVG RP §§ 5, 56, 83; TV-L § 3 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 17.08.2021; Aktenzeichen 6 Ca 4127/20)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17. August 2021, Az. 6 Ca 4127/20, unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

    1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die fristlose Kündigung des beklagten Landes vom 9. Dezember 2020 aufgelöst worden ist.
    2. Das beklagte Land wird verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.
    3. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
  • II.

    Die Anschlussberufung des Klägers wird bezüglich des Antrags Ziff. 3a) als unzulässig verworfen, im Übrigen zurückgewiesen.

  • III.

    Die Kosten erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 7/10 und das beklagte Land 3/10 zu tragen.

  • IV.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

Der im September 1963 geborene Kläger ist Diplom-Prähistoriker, er hat im Fach Ur- und Frühgeschichte promoviert. Am 1. Mai 2013 wurde er vom beklagten Land in der C. (S. N.) als Tarifbeschäftigter in Teilzeit (65% einer Vollzeitkraft) eingestellt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung Anwendung. Der Kläger erhielt Vergütung nach Entgeltgruppe 14 TV-L; sein durchschnittlicher Teilzeitverdienst betrug € 3.887,00 brutto.

Zum Geschäftsbereich der S. N. gehören neben der Hauptdienststelle in C-Stadt auch mehrere Regionalstellen, deren Beschäftigte nach Maßgabe von § 5 Abs. 3 LPersVG Verselbständigungsbeschlüsse gefasst haben. Örtliche Personalräte sind in der Hauptdienststelle und den Regionalstellen T., M., O. gewählt worden; ferner wurde nach § 56 Abs. 1 LPersVG ein Gesamtpersonalrat gebildet.

Dr. K., der frühere Präsident, leitete die S. N. von Oktober 2012 bis zum Jahresende 2020. Er ist - wie der Kläger - Mitglied der politischen Partei Bündnis90/Die Grünen. Der Kläger ist Mitglied der Stadtratsfraktion A-Stadt, Dr. K. der Stadtratsfraktion C-Stadt von Bündnis90/Die Grünen. Der Kläger wurde ursprünglich als persönlicher Referent des Präsidenten beschäftigt. Zwischen dem Kläger und dem Präsidenten kam es im Anschluss an eine Sitzung des Preisgerichts im Planungswettbewerb zur Neugestaltung des Loreley-Plateaus im UNESCO-Welterbe Oberes Mittelrheintal, die am 10. Dezember 2014 stattfand, zu einem Konflikt. Im Anschluss an einen Disput wurde der Kläger am 5. Januar 2015 als persönlicher Referent des Präsidenten beurlaubt; ab März 2015 wurden ihm andere Tätigkeiten zugewiesen.

Mit Schreiben vom 12. Januar 2015 (Bl. 62 ff. d.A.) ordnete der Präsident gegenüber dem Kläger gem. § 3 Abs. 2 TV-L ausdrücklich an, dass Angelegenheiten, die ihm im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit als persönlicher Referent des Behördenleiters bekannt wurden, der Geheimhaltung unterliegen.

Am 29. Februar 2016 erteilte der Präsident dem Kläger eine schriftliche Ermahnung (Bl. 323-333 d.A.) wegen "Illoyalität und abfälligen Äußerungen gegenüber dem Vorgesetzten". Er tadelte das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Wettbewerb zur Neugestaltung des Loreley-Plateaus im Zeitraum von Dezember 2014 bis Januar 2015. Mit Schreiben vom 22. Januar 2018 informierte die S. N. den Kläger darüber, dass nach üblicher Verwaltungspraxis beabsichtigt sei, die Ermahnung aus seiner Personalakte zu entfernen. Der Kläger widersprach dem. Er erhob am 15. September 2018 beim Ministerium des Innern und für Sport (MdI) eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Präsidenten der S. N. und den Leiter der Abteilung 1 (Zentrale Aufgaben), Abteilungsdirektor N. (Bl. 283-311 d.A.). Der Kläger rügte vermeintliche Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit Vorgängen, die Gegenstand der Ermahnung vom 29. Februar 2016 waren. Mit ...

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