Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgemäße Anhörung des Bezirkspersonalrats vor einer außerordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers
Leitsatz (redaktionell)
Nach § 83 Abs. 3 LPersVG ist vor fristlosen Entlassungen und außerordentlichen Kündigungen der Personalrat anzuhören. Hat der Personalrat Bedenken, so hat er sie unter Angabe der Gründe der Leiterin oder dem Leiter der Dienststelle unverzüglich, spätestens innerhalb von vier Werktagen, schriftlich mitzuteilen.
Für die Schulen werden gemäß § 52 Abs. 3 LPersVG Stufenvertretungen nach Maßgabe des § 97 LPersVG gebildet. Dementsprechend ist bei der ADD u.a. ein Bezirkspersonalrat für Förderschulen gebildet (§ 97 Abs. 1 Nr. 1 b LPersVG). Unter Umständen ist somit dieser bei einer außerordentlichen Kündigungzu beteiligen.
Normenkette
LPersVG § 83 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Trier (Entscheidung vom 02.08.2022; Aktenzeichen 1 Ca 1032/21) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 2. August 2022 - 1 Ca 1032/21 - teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 6. Oktober 2021 nicht aufgelöst worden ist.
Das beklagte Land wird verurteilt, die Abmahnung vom 4. Juni 2021 aus der Personalakte zu entfernen.
II. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/4 und das beklagte Land zu 3/4.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt das beklagte Land.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung und die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin.
Die am 14. Mai 1979 geborene, verheiratete und drei minderjährigen Kindern zum Unterhalt verpflichtete Klägerin war aufgrund Arbeitsvertrags vom 14. Dezember 2000 (Bl. 4, 5 d.A.) seit dem 7. August 2000 beim beklagten Land als pädagogische Fachkraft beschäftigt, zuletzt im Umfang von 33,32 % (12,83/38,5 oder elf Stunden gebundener Arbeitszeit) der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit einer entsprechenden Vollzeitkraft. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der BAT bzw. nach dessen Ablösung der TV-L Anwendung. Danach ist die Klägerin tarifvertraglich ordentlich unkündbar.
Beim beklagten Land ist die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion u.a. für die arbeitsrechtlichen Entscheidungen hinsichtlich der staatlichen Beschäftigen der öffentlichen Schulen, insbesondere auch für deren Entlassung, zuständig (§ 15 Abs. 1 i.V.m. §§ 2 Abs. 1 Nr. 19, 3 Abs. 1 Nr. 2 der Landesverordnung über dienst- und arbeitsrechtliche Zuständigkeiten der Struktur- und Genehmigungsdirektion und der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion vom 5. Mai 2014). Bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) C-Stadt ist u.a. ein Bezirkspersonalrat für die Förderschulen des Landes eingerichtet.
Auf ihren Antrag wurde die Klägerin zum 1. August 2020 an die E.-Schule in E-Stadt, eine Förderschule mit dem Schwerpunkt ganzheitliche Entwicklung, versetzt. Wegen der Einzelheiten der Hygieneregeln im Hinblick auf die Corona-Pandemie wird auf die "Leitlinien für den Unterricht an den Förderschulen im Schuljahr 2020/2021 - Ergänzende Hinweise für Schulen mit dem Förderschwerpunkt ganzheitliche Entwicklung und/oder motorische Entwicklung sowie Förderschulen mit dem Bildungsgang ganzheitliche Entwicklung" (Bl. 1059 - 1078 d.A.) verwiesen.
Seit dem 28. Oktober 2020 war die Klägerin durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.
Die Klägerin veröffentlichte unter Verwendung ihres Klarnamens auf ihrem für jedermann einsehbaren Facebook-Account regelmäßig kritische Beiträge zur Corona-Politik. Unter dem 4. Juni 2021 erteilte das beklagte Land der Klägerin eine Abmahnung wegen Verletzung ihrer vertraglichen Nebenpflichten durch die angeführten Äußerungen auf Facebook. In der Abmahnung vom 4. Juni 2021 (Bl. 67 - 72 d.A.) heißt es u.a.:
"Vollzug des Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes der Länder (TV-L);
Erteilung einer Abmahnung wegen der Verletzung vertraglicher Nebenpflichten
Veröffentlichungen auf Facebook
Sehr geehrte Frau A.,
es wird Ihnen vorgeworfen, durch Äußerungen auf Ihrem Facebook-Account gegen das Mäßigungsgebot verstoßen und hierdurch ihre vertragliche Nebenpflicht verletzt zu haben.
Sie haben sich vielfach öffentlich auf Facebook zur Corona-Politik des Bundes und des Landes Rheinland-Pfalz geäußert, zuletzt zunehmend in herabwürdigender, respektloser, verleumderischer und aufrührerischer Art und Weise in Bezug auf ihren Arbeitgeber, das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch die Landesregierung.
Insbesondere bei folgenden Äußerungen wurde die Schwelle zum Verstoß gegen ihre arbeitsrechtliche Treuepflicht überschritten:
(...)"
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere der jeweils zitierten Äußerungen der Klägerin an den aufgeführten Tagen wird auf das Abmahnungsschreiben vom 4. Juni 2021 (Bl. 67 - 72 d.A.) verwiesen.
Hierzu nahm die Klägerin mi...