Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung in der Wartezeit wegen möglicher Treuwidrigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Auch unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben verstößt eine Kündigung in der Wartezeit deshalb nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind. In sachlicher Hinsicht geht es darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen. Eine willkürliche Kündigung liegt aber nicht vor, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Kündigung besteht.
Normenkette
BGB § 138 Abs. 1, §§ 242, 612a; GG Art. 12 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 1; ZPO § 138 Abs. 2-3; BGB § 138
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 24.01.2023; Aktenzeichen 6 Ca 2773/21) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 24.01.2023 - 6 Ca 2773/21 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung in der Wartezeit.
Der Kläger war aufgrund Arbeitsvertrags vom 05. August 2021 (Bl. 6 - 12 d. A.) seit dem 15. August 2021 als Sicherheitsmitarbeiter beschäftigt und in der Bewachung von Objekten der Bundeswehr am Standort W-Stadt eingesetzt. Nach Ziffer 1 des Arbeitsvertrags der Parteien findet auf das Arbeitsverhältnis u.a. der Mantelrahmentarifvertrag für Sicherheitsleistungen in der Bundesrepublik Deutschland in der jeweils gültigen Fassung (MRTV) Anwendung. In Ziffer 3 des Arbeitsvertrags ist vereinbart, dass die Probezeit sechs Monate beträgt.
Zuvor war der Kläger bereits einmal bei der Beklagten in der Zeit vom 04. Januar 2016 bis Herbst 2020 beschäftigt gewesen. Er hatte sein Arbeitsverhältnis aufgrund gesundheitlicher Probleme beim Tragen des vorgeschriebenen Mund-Nasen-Schutzes selbst gekündigt. Im Zuge seiner Eigenkündigung war ihm zugesagt worden, dass im Falle der Änderung der pandemiebedingten Situation eine sofortige Wiedereinstellung erfolgen werde. Zum 15. August 2021 ist er mit dem o.g. Arbeitsvertrag vom 05. August 2021 erneut bei der Beklagten eingestellt worden.
Am 03. November 2021 wurde der Kläger von dem (regionalen) Einsatzleiter der Beklagten, Herrn S., im Beisein des (örtlichen) Objektleiters W-Stadt, Herrn H., darüber informiert, dass Ende Oktober 2021 ein anonymer Brief bei der Beklagten eingegangen sei, in dem der Kläger als "Querdenker" und "Impfverweigerer" bezeichnet und seine Entlassung gefordert werde. Am 05. November 2021 wurde der Objektleiter H. von dem Eingang eines weiteren anonymen Briefs in Kenntnis gesetzt, woraufhin dieser im Beisein des Klägers am 06. November 2021 den Regionalleiter S. anrief, um sich über den Inhalt des zweiten Briefs zu informieren. In diesem zweiten anonymen Brief wurde moniert, dass der Kläger noch immer bei der Beklagten beschäftigt sei, und damit gedroht, die Bundeswehr sowie den MAD einzuschalten, falls der Kläger nicht umgehend entlassen werde. Im Rahmen des Telefonats sicherte der Regionalleiter S. zu, am darauffolgenden Montag, den 08. November 2021, die Angelegenheit mit dem Geschäftsführer der Beklagten zu besprechen.
Mit Schreiben vom 08. November 2021 (Bl. 17 d. A.), dem Kläger am 09. November 2021 zugegangen, kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zum 16. November 2021. Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 30. November 2021 beim Arbeitsgericht Koblenz eingegangenen Kündigungsschutzklage gewandt.
Im Gütetermin vom 21. Dezember 2021 ist für den Kläger niemand erschienen. Daraufhin hat das Arbeitsgericht mit Versäumnisurteil vom 21. Dezember 2021 die Klage abgewiesen. Gegen das ihm am 29. Dezember 2021 zugestellte Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 05. Januar 2022, beim Arbeitsgericht am gleichen Tag eingegangen, Einspruch eingelegt.
Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 24. Januar 2023 - 6 Ca 2773/21 - Bezug genommen.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 21. Dezember 2021 festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 08. November 2021 aufgelöst worden ist, sondern unverändert fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil vom 21. Dezember 2021 aufrechtzuerhalten.
Mit Urteil vom 24. Januar 2023 hat das Arbeitsgericht das klageabweisende Versäumnisurteil vom 21. Dezember 2021 aufrechterhalten. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.
Gegen das ihm am 08. März 2023 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 30. März 2023, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 03. Mai 2023, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Ta...