Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehinderter. Schadensersatz wegen Diskriminierung
Leitsatz (redaktionell)
Der öffentliche Arbeitgeber hat einen schwerbehinderten Bewerber nach § 82 S. 2 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, es sei denn dem schwerbehinderten Menschen fehlt offensichtlich die fachliche Eignung. Ein schwerbehinderter Bewerber muss bei einem öffentlichen Arbeitgeber die Chance eines Vorstellungsgesprächs bekommen, wenn seine fachliche Eignung nur zweifelhaft ist. Selbst wenn sich der öffentliche Arbeitgeber aufgrund der Bewerbungsunterlagen schon die Meinung gebildet hat, ein oder mehrere andere Bewerber seien so gut geeignet, dass der schwerbehinderte Bewerber nicht mehr in die nähere Auswahl komme, muss er den schwerbehinderten Bewerber nach dem Gesetzesziel einladen. Der Ausschluss aus dem weiteren Bewerbungsverfahren ist eine Benachteiligung, die dann in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung steht. Dieser Ausschluss benachteiligt den schwerbehinderten Menschen unmittelbar i.S.v. § 3 Abs. 1 S. 1 AGG.
Normenkette
AGG § 3; SGB IX § 82
Verfahrensgang
ArbG Trier (Urteil vom 11.05.2010; Aktenzeichen 2 Ca 1585/09) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 11.05.2010 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung einer Entschädigung wegen behaupteter Diskriminierung des Klägers bei der Einstellung wegen seiner Eigenschaft als Schwerbehinderter.
Mit Schreiben vom 14.04.2009 bewarb sich der Kläger auf die vom beklagten Land ausgeschriebene Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters im Bereich E.-Learning. Dabei wies er darauf hin, dass er schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 70 ist. In der Stellenausschreibung fand sich folgendes wörtlich:
„Die Aufgaben beinhalten die organisatorische und didaktische Pflege sowie Weiterentwicklung des E-Learning-Angebots als zentrale Dienstleistung für die gesamte Universität, die Mitarbeit an der strategischen Konzeption von E-Learning, Öffentlichkeitsarbeit, die Administration und Betreuung von Lernmanagement-Plattformen sowie didaktische und technische Supportdienstleistungen.
Neben einem abgeschlossenen Hochschulstudium in einem sozial-, kommunikations- oder medienwissenschaftlichen Studiengang erwarten wir Zusatzqualifikationen und/oder einschlägige Berufserfahrungen im E-Learning-Bereich. Weiterhin sind vertiefte Kenntnisse von Theorien des Online-Lernens, praktische Umsetzung von E-Learning in der Hochschullehre, umfangreiche Erfahrungen im Umgang mit Lernmanagement-Plattformen erforderlich. Erwünscht sind eine längere berufliche Tätigkeit im Bereich E-Learning, gute Englisch- und/oder Französisch-Kenntnisse, Projekterfahrungen und Erfahrungen in der Einwerbung von Drittmitteln.”
In seinem Bewerbungsschreiben vom 14. April 1009 wies der Kläger darauf hin, dass er vor kurzem sein informationswissenschaftliches Masterstudium an der Hochschule D-Stadt abgeschlossen habe, in seiner Masterarbeit sich mit modernen universitären Dienstleistungen im Rahmen der Implementierung von E-Learning-Angeboten befasst habe. Er wies darauf hin, dass er über berufspraktische Erfahrungswerte aus der Tätigkeit in insgesamt vier Dienststellen verfüge und mit den Aspekten modernen Marketings, insbesondere für Hochschulen und ihre Einrichtungen, bestens vertraut sei. Er habe professionelle Kenntnisse des Informations- und Dokumentationswesens sowie der Aufbereitung von Lehrinhalten nach modernen methodisch didaktischen Gesichtspunkten.
Nachdem die Universität sechs Bewerber zum Vorstellungsgespräch eingeladen hatte, darunter nach ihrer Darstellung auch eine schwerbehinderte Bewerberin, den Kläger hingegen nicht, sagte sie ihm mit Schreiben vom 17.06.2009 ab.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 05.08.2009 einen Entschädigungsanspruch geltend gemacht und nach Ablehnung diesen mit am 30.10.2009 beim Arbeitsgericht Trier eingegangener Klage weiter verfolgt.
Der Kläger hat vorgetragen, er habe belegt, dass er für die Stelle geeignet sei, nähere Erläuterungen hätte er im Vorstellungsgespräch geben können. Weil er hierzu nicht eingeladen worden sei, sei er als Schwerbehinderter benachteiligt worden und habe einen Entschädigungsanspruch.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene Entschädigung in Geld, deren genaue Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nach § 81 Abs. 2 SGB IX i. V. m. dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat vorgetragen, es sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger zum Vorstellungsgespräch einzuladen, da er für die ausgeschriebene Stelle offensichtlich fachlich ungeeignet gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 11.05.2010 (2 Ca 1585/09) verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen au...