Entscheidungsstichwort (Thema)

Negative Gesundheitsprognose. Interessenabwägung. krankheitsbedingte Kündigung. Krankheitsbedingte Kündigung bei negativer Gesundheitsprognose. unbegründete Kündigungsschutzklage bei unsubstantiierten Darlegungen des Arbeitnehmers zur Widerlegung des Indizwertes häufiger Kurzerkrankungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Krankheitsbedingte Fehlzeiten in der Vergangenheit sind für die Darlegungslast der Arbeitgeberin insoweit von Bedeutung, als sie die Gefahr künftiger Erkrankungen indizieren können, wenn dem nicht die objektiven Verhältnisse bei Zugang der Kündigung entgegenstehen.

2. Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere Kurzerkrankungen auf, sprechen diese für ein entsprechendes zu erwartendes Erscheinungsbild auch in der Zukunft.

3. Bei einer negativen Indizwirkung hat der Arbeitnehmer nach § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb die Besorgnis weiterer Erkrankungen unberechtigt sein soll; dabei genügt er insoweit seiner prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er die Behauptungen der Arbeitgeberin nicht bestreitet und seinerseits vorträgt, die ihn behandelnden Ärzte hätten die gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und er die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbindet.

4. Trägt der Arbeitnehmer selbst konkrete Umstände (wie etwa Krankheitsursachen) vor, müssen diese geeignet sein, die Indizwirkung der bisherigen Fehlzeiten zu erschüttern; den Gegenbeweis, dass nicht mit weiteren künftigen Krankungen zu rechnen ist, braucht der Arbeitnehmer allerdings nicht zu führen.

 

Normenkette

BetrVG § 102 Abs. 1 S. 3; KSchG §§ 1, 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 1; ZPO § 138 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 13.04.2011; Aktenzeichen 8 Ca 2313/10)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 13.04.2011 - 8 Ca 2313/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen krankheitsbedingten Arbeitgeberkündigung sein Ende gefunden hat.

Die Beklagte betreibt verschiedene Lackieranlagen im Bereich der Industrie. Der am 01.01.1960 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit dem 18.03.1999 als Metallhelfer in einer Fünftagewoche (montags bis freitags) gegen ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von zuletzt 2.655,87 EUR tätig. Er ist verheiratet und hat sieben Kinder im Alter von 15 bis 27 Jahren, von denen drei noch in seinem Haushalt leben. In seiner Lohnsteuerkarte für das Jahr 2010 (vgl. Bl. 136 d. A.) sind zwei unterhaltspflichtige Kinder eingetragen. Nach einem 2008 erfolgten Arbeitsplatzwechsel in die Abteilung 2 wurde der Kläger im Bereich "Maskiererei" und in der Schleiferei eingesetzt; er musste dort Teile mit einem Gewicht von bis zu 3 kg bearbeiten. Zuvor war er in der Abteilung 6 tätig, in der er Tätigkeiten mit schwereren Teilen (mit einem Gewicht von bis zu 20 kg) zu erledigen hatte. Die weiteren Einzelheiten der Arbeitsplatzbedingungen in der Abteilung 6 und deren Auswirkungen auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers sind zwischen den Parteien streitig. 2008 und 2009 war der Kläger jeweils an 46 Arbeitstagen pro Jahr arbeitsunfähig erkrankt und erhielt für alle Arbeitsunfähigkeitszeiten Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall; wegen der in den Jahren 2008 und 2009 im Einzelnen angefallenen Krankheitszeiträume wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 17.01.2011 (Bl. 16, 17 d. A.) Bezug genommen.

2010 bezog der Kläger wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit vom 17.03. bis zum 23.04.2010 und vom 20.05. bis 30.06.2010 Entgeltfortzahlung (= 54 Arbeitstage und 2 Feiertage). Ab dem 01.07.2010 erhielt er Krankengeld. Er war bis einschließlich 21.11.2010 weiterhin arbeitsunfähig erkrankt. Während der Arbeitsunfähigkeit absolvierte er vom 06.08. bis 14.09.2010 eine Reha-Maßnahme im Therapiezentrum des St. XY in A-Stadt. Hinsichtlich des ärztlichen Entlassungsberichtes vom 14.09.2010 wird auf Bl. 64 bis 73 d. A. Bezug genommen. Danach war er in dieser Einrichtung vom 16.09. bis zum 05.11.2010 an verschiedenen Tagen zur Nachbehandlung.

Mit Schreiben vom 19.11.2010 (vgl. Bl. 19 f. d. A.) unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat über die von ihr beabsichtigte krankheitsbedingte Kündigung des Klägers zum 31.03.2011.

Ab Montag, dem 22.11.2010, nahm der Kläger seine Arbeit wieder auf. Am 25.11.2010 erkrankte er erneut und war bis zum 26.11.2010 arbeitsunfähig erkrankt.

Mit Schreiben vom 26.11.2010, hinsichtlich dessen Inhalt auf Bl. 8 d. A. Bezug genommen wird, hat der Betriebsrat der beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers widersprochen.

Mit Schreiben vom 27.11.2010 (vgl. Bl. 7 d. A.) hat die Beklagte daraufhin gleichwohl das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.03.2011 gekündigt. Dagegen wendet sich der Kläger mit der am 15.12.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage.

Der Kläger hat vorgetragen,

die Kündig...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge