Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsunfähigkeit. Kündigungserklärung. Kündigungserklärung gegenüber einem Geschäftsunfähigem
Leitsatz (redaktionell)
Nach § 131 BGB muss die Kündigungserklärung gegenüber einem Geschäftsunfähigen erklärt werden, setzt aber den Zugang der Kündigungserklärung beim gesetzlichen Vertreter voraus. Der die Kündigung Erklärende muss bei der Abgabe der Erklärung an den Geschäftsunfähigen zugleich auch den Willen haben, die Erklärung an den gesetzlichen Vertreter zu richten.
Normenkette
BGB § 131 ff
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 05.11.2008; Aktenzeichen 3 Ca 1929/07) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 5.11.2008 – 3 Ca 1929/07 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
Die Parteien streiten insbesondere um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, welche erstinstanzlich nach einem eingeholten Gutachten wegen Geschäftsunfähigkeit des Gekündigten für nichtig erklärt wurde.
Der 1956 geborene Kläger, der verheiratet und zwei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet ist, wurde von der Beklagten ab 01.5.1988 als Chemiker beschäftigt.
Zur Genese des Arbeitsverhältnisses wird auf den umfassenden Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 05.11.2008 – 3 Ca 1929/07 – gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.
Dem Kläger wurde am 15.05.2006 eine Kündigung zum 30.06.2007 übergeben. Eine hiergegen gerichtete Klage nahm der Kläger am 24.11.2006 persönlich zurück.
Unter dem 17.09.2007 bestellte das Amtsgericht Speyer Herrn Rechtsanwalt D. zum gesetzlichen Betreuer. Dieser teilte der Beklagten mit Schreiben vom 25.09.2007 mit, dass er von der Kündigung Kenntnis erhalten habe. Am 05.10.2007 wiederholte der Betreuer des Klägers die Kündigungsschutzklage.
Das Arbeitsgericht Ludwigshafen holte ein Sachverständigengutachten zur Geschäftsfähigkeit des Klägers ein und erkannte daraufhin durch Teil-Urteil vom 05.11.2008 für Recht, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die mit Schreiben vom 12.05.2006 ausgesprochene Kündigung beendet worden sei und verurteilte die Beklagte, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits, längstens jedoch bis 31.03.2009, als Chemiker zu unveränderten Arbeits- und Vertragsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt,
aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens stünde fest, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 12.05.2006 geschäftsunfähig gewesen sei; die Kündigungserklärung sei daher nicht rechtswirksam zugegangen; sie sei auch nicht an den gesetzlichen Vertreter des Klägers gerichtet gewesen. Dessen bloß zufällige Kenntnis genüge nicht. § 131 Abs. 1 BGB sei eng auszulegen. Der ursprünglich geführte Rechtsstreit 4 Ca 1193/06 berühre weder das Arbeitsverhältnis noch den vorliegenden Rechtsstreit, da der Kläger den ursprünglich beauftragten Prozessbevollmächtigten wegen der fehlenden Geschäftsfähigkeit nicht habe ordnungsgemäß mandatieren können. Es habe eine akute schizophrene Psychose vorgelegen. Dem Kläger könne auch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden, wenn er sich auf § 131 Abs. 1 ZPO berufe. Es könne dahingestellt bleiben, inwieweit die Wiedererlangung der Geschäftsfähigkeit im Sommer 2008 zum Zugang der unter dem 12.05.2006 ausgesprochenen Kündigung führe. Der Weiterbeschäftigungsanspruch bestünde nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Der Kläger sei zum Zeitpunkt der Kammerverhandlung am 05.11.2008 wieder arbeitsfähig gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe des vorbezeichneten Teil-Urteils sowie die erstinstanzlich gestellten Anträge (S. 9 bis 19 = Bl. 231 bis 241 d. A.) Bezug genommen. Gegen das der Beklagten am 12.01.2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 26.01.2009 eingelegte und am 12.03.2009 begründete Berufung der Beklagten.
Diese beanstandet insbesondere, dass das Ergebnis des Gutachters Dr. Z. nicht nachvollziehbar sei. Es zitiere überwiegend aus Schreiben von anderen Ärzten. Außerdem fehlten Originalberichte der Kliniken. Der Sachverständige habe den Kläger am 15.05.2006 nicht gekannt. Das Gutachten beruhe auf Einschätzungen anderer Ärzte, die zeitlich – überwiegend – nach dem Beurteilungszeitpunkt entstanden seien und im Übrigen auch keine Geschäftsunfähigkeit festgestellt hätten. Das Gutachten sei auch mehr als drei Jahre nach dem Kündigungsausspruch erstellt worden. Auch die Ärzte der Univ. Kliniken Heidelberg hätten keine Geschäftsunfähigkeit am 22.08.2006 festgestellt. Der Kläger selbst habe damals einen Rechtsanwalt beauftragt, um gegen die Kündigung vorzugehen. Dieser habe in der Klagebegründung vom 29.05.2006 ausgeführt, der Kläger sei gesundheitlich in der Lage, eine vertragsgerechte Arbeitsleistung zu erbringen. Selbst wenn Geschäftsunfähigkeit v...