Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung, außerordentliche. Meinungsfreiheit. Außerordentliche Kündigung wegen Kritik an der Unternehmensführung
Leitsatz (redaktionell)
Der Arbeitgeber muss Kritik an seiner Betriebsführung durch Arbeitnehmer hinnehmen, solange nicht konkrete Gefahren für Betriebsabläufe oder für die Außenwirkung des Unternehmens drohen.
Normenkette
BGB § 626; BetrVG § 2; GG Art. 5
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Urteil vom 10.11.2010; Aktenzeichen 7 Ca 424/10) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 10. November 2010 – 7 Ca 424/10 – wird auf die jeweiligen Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung und einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.
Die 1975 geborene Klägerin war seit Januar 2000 bei der Beklagten, die Brötchen für die Handelskette L fertigte, zuletzt als Gruppenführerin beschäftigt. Ihre Gesamtbruttogehalt betrug 2.903,89 EUR. Die Klägerin war Betriebsratsvorsitzende. Für die im Mai 2010 angestandenen Betriebsratswahlen kandidierte sie nicht mehr. Im Herbst 2008 gab die Klägerin dem Journalisten W ein Fernsehinterview, in welchem sie u. a. angab, dass bei der Beklagten die Arbeitspausen nicht eingehalten würden, diese Pausen jedoch gleichwohl abgezogen, d. h., nicht bezahlt würden. Dieses Interview wurde in der Fernsehsendung „m L. G. W.” am 17. März 2010 ausgestrahlt.
Die Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 23. April 2010 außerordentlich zum 24. April 2010 nach Zustimmung des einzigen noch sein Amt ausübenden Betriebsratsmitgliedes.
Durch Gesellschafterbeschluss vom 24. September 2010 beschloss der alleinige Kommanditist der Beklagten, die Gesellschaft mit Wirkung ab dem 30. September 2010 aufzulösen. Die Arbeitsverhältnisse mit sämtlichen Arbeitnehmern außer zweien, die Sonderkündigungsschutz genossen, wurde gekündigt und die Produktion mit Wirkung ab 01. Oktober 2010 eingestellt.
Zur Begründung ihrer am 12. Mai 2010 beim Gericht eingegangenen und mit einem am 18. Oktober 2010 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz gegen die ordentliche Kündigung erweiterten Klage bringt die Klägerin im Wesentlichen vor, ein Grund für die außerordentliche Kündigung läge nicht vor. Bezüglich der betriebsbedingten Kündigung bestünden Anhaltspunkte dafür, dass es zu einem Betriebsübergang kommen solle.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.04.2010 zum 24.04.2010 endete;
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.09.2010 zum Ablauf des 31.01.2011 endet;
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;
die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1 zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Schichtführerin bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen;
die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 3 zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Schichtführerin bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich
Klageabweisung
beantragt und erwidert, die fristlose Kündigung sei begründet, da die Klägerin durch die Äußerungen in dem Interview gegen ihre Verschwiegenheitspflicht verstoßen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 10. November 2010 – 7 Ca 424/10 – (Seite 2 bis 5 = Bl. 197 bis 200 d. A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat im vorerwähnten Urteil – soweit für das Berufungsverfahren von Interesse – der Klage gegen die außerordentliche Kündigung vom 23. April 2010 stattgegeben, die gegen die ordentliche Kündigung der Beklagten hingegen abgewiesen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt,
bezogen auf die außerordentliche Kündigung habe die Beklagte keinen Beweis dafür antreten können, dass das Interview mit dem Vorwurf nicht gemachter und bezahlter Pausen nach dem Widerruf des zwischen den Parteien am 30. September 2008 Aufhebungsvertrages gegeben worden sei. Auch sei kein Beweis dafür angetreten worden, dass die Freigabe des Interviewes später, insbesondere nach Erhalt der Abmahnung vom 30. Juni 2009 erfolgt sei. Hinsichtlich des Vorwurfes einer Geschäfts- oder Rufschädigung sei zu berücksichtigen, dass diese wegen der bereits erfolgten Ent...