Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung
Leitsatz (redaktionell)
Eine Ausschlussfristenregelung in einem Formulararbeitsvertrag, wonach sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden, ist wirksam und verstößt insbesondere nicht gegen das Tansparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.
Normenkette
AGG § 15 Abs. 2, 4; BGB §§ 305, 305c, 307 Abs. 1, § 310 Abs. 3; ZPO § 233; BGB § 611; AGG § 17 Abs. 2; BGB § 307 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 11.10.2017; Aktenzeichen 11 Ca 948/17) |
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 09.09.2015; Aktenzeichen 11 Ca 939/14) |
Tenor
- Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11. Oktober 2017, Az. 11 Ca 948/17, aufgehoben und die Klage unter Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 9. September 2015, Az. 11 Ca 939/14, in vollem Umfang abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin Differenzlohn (zweitinstanzlich für die Zeit vom 01.04.2004 bis zum 31.12.2012) und eine Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu zahlen.
Die nicht tarifgebundene Beklagte stellt Schuhe her. Die 1953 geborene Klägerin ist bei der Beklagten, die früher unter F. Schuhproduktion GmbH firmierte, seit 01.08.1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Die Beklagte zahlte bis 31.12.2012 an die in der Produktion beschäftigten Frauen bei gleicher Tätigkeit einen geringeren Stundenlohn als den Männern. Die Anwesenheitsprämie (5 % des Bruttolohns), das Weihnachtsgeld (40 % des Bruttolohns) und das Urlaubsgeld (46,5% des Bruttolohns) berechnete die Beklagte für Frauen bis 31.12.2012 ebenfalls auf der Grundlage des niedrigeren Stundenlohns. Seit 2010 zahlte die Beklagte der Klägerin einen Stundenlohn von € 8,79 brutto. Ab 01.01.2013 zahlte sie weiblichen und männlichen Produktionskräften einen Stundenlohn von € 9,86 brutto.
Die Ungleichbehandlung bei der Entlohnung von Frauen und Männern ist der Klägerin spätestens seit einer Betriebsversammlung, die am 18.09.2012 stattfand, bekannt. Die Klägerin schloss unter dem Datum vom 18.09.2012 mit der Beklagten einen schriftlichen Arbeitsvertrag. In dem Formularvertrag heißt es auszugsweise:
"§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses
Das Arbeitsverhältnis hat am 01.08.1994 begonnen.
Angerechneter Eintritt 01.08.1994
§ 2 Tätigkeit/Arbeitsort
(1) Der Arbeitnehmer ist als Produktionsmitarbeiter angestellt.
...
§ 4 Vergütung
(1) Der Arbeitnehmer erhält für seine vertragliche Tätigkeit einen Bruttostundenlohn in Höhe von 9,40 Euro.
Der Arbeitnehmer erhält außerdem ...
...
§ 17 Besondere Vereinbarungen
(1) Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.
(2) Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
...
§ 19 Sonstiges
Dieser Vertrag tritt am 01.07.2012 in Kraft. Die hier geregelten Vereinbarungen ersetzen die Regelungen aus vorherigen Verträgen.
§ 20 Kenntnisnahme
(1) Der Arbeitnehmer erklärt, dass er den Arbeitsvertrag gelesen und verstanden hat. Der nicht deutschmuttersprachliche Arbeitnehmer versichert, den deutschsprachigen Vertrag gelesen und verstanden zu haben, ggf. hat er sich zur Übersetzung einer Person seines Vertrauens bedient.
..."
Mit Anwaltsschreiben vom 04.12.2013, der Beklagten am 05.12.2013 zugegangen, machte die Klägerin Vergütungsdifferenzen seit dem Jahr 1994 und eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG unter Fristsetzung bis zum 10.12.2013 geltend. Mit einem weiteren Anwaltsschreiben vom 04.12.2013 focht sie den Arbeitsvertrag vom 18.09.2012 an.
Zur Begründung der Anfechtung führte sie in diesem Schreiben - auszugsweise - aus:
"Vor dem Hintergrund, der gegen Sie und die Firma Rh. Schuhproduktion GmbH ergangenen Urteile des LAGs Rheinland-Pfalz vom 07.09.2012 und zur Vermeidung der aus den Urteilen auch für die mit Ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisse resultierenden Rechtsfolgen, haben Sie sämtlichen Arbeitnehmern im September 2012 neue Arbeitsvertragstexte zur Unterzeichnung vorgelegt. Bei Erläuterung der Arbeitsvertragsformulare durch die Geschäftsführung wurde den Mitarbeitern erklärt, dass hiermit lediglich die bestehende Rechtslage schriftlich niedergelegt werde. Letztlich "bleibe alles wie bisher". Soweit Sie den weiblichen Arbeitnehmern in der Vergangenheit bei ansonsten gleichen vertraglichen Konditionen einen niedrigeren Stundenlohn als den männlichen Ar...