Entscheidungsstichwort (Thema)
Beleidigung. Kündigung. Ordentliche Kündigung wegen Beleidigung eines Arbeitskollegen
Leitsatz (redaktionell)
Grobe Beleidigungen von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, stellen einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dar und können daher sogar eine außerordentliche fristlose Kündigung grundsätzlich rechtfertigen.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 04.12.2008; Aktenzeichen 1 Ca 1457/08) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 4.12.2008 – 1 Ca 1457/08 – wie folgt teilweise abgeändert:
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 10.07.2008 zum 31.8.2008 aufgelöst worden ist.
- Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat 2/3 und die Beklagte 1/3 der erstinstanzlichen Kosten zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren noch über die Wirksamkeit einer mit Schreiben vom 25.08.2008 zum 30.09.2008 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung.
Der am 30.05.1978 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.06.2005 als Kommissionierer beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.
Ende Juni 2008 (das genaue Datum ist zwischen den Parteien streitig, nach Behauptung der Beklagten handelte es sich um den 23.06.2008) bezeichnete der Kläger einen Arbeitskollegen als „Kinderficker”. Nach Behauptung der Beklagten wiederholte der Kläger diese Äußerung gegenüber dem betreffenden Arbeitnehmer noch am selben Tag.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 10.07.2008 ordentlich zum 31.08.2008 sowie mit Schreiben vom 25.08.2008 erneut vorsorglich nochmals zum 30.09.2008. Gegen diese Kündigungen richtet sich die vom Kläger am 30.07.2008 eingereichte und am 01.09.2008 erweiterte Kündigungsschutzklage.
Von einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 04.12.2008 (Bl. 86 – 91 d.A.).
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Andreas W, V V und U. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.12.2008 (Bl. 72 ff d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 10. Juli 2008 nicht aufgelöst ist,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 25. August 2008 nicht aufgelöst ist,
- die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als Kommissionierer Food-Lager weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 04.12.2008 insgesamt stattgegeben. In den Entscheidungsgründen seines Urteils hat das Arbeitsgericht bezüglich der Kündigung vom 25.08.2008 im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei unwirksam, weil die Beklagte den Kläger zunächst hätte abmahnen müssen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe nämlich nicht fest, dass die dem Kläger vorzuwerfenden Beleidigung seines Arbeitskollegen derart schwerwiegend gewesen sei, dass es ausnahmsweise keiner Abmahnung bedurft habe. Auch wenn man davon ausgehe, dass sich letztendlich nicht mehr klären lasse, wie es zu der dem Kläger vorzuwerfenden Äußerung eigentlich gekommen sei, fehle es jedenfalls an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die Äußerung des Klägers gegenüber seinem Arbeitskollegen auf eine bewusste und gewollte Ehrenkränkung gezielt habe. Im Hinblick darauf könne der Vorfall nicht als derart schwerwiegend bewertet werden, dass eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich gewesen sei, auch wenn der betreffende Arbeitskollege zu Recht über die wiederholte Äußerung des Klägers entsetzt sowie verärgert gewesen sei und deshalb die Entschuldigung des Klägers nicht angenommen habe. Zur Darstellung aller Einzelheiten der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 7 – 12 (= Bl. 91 – 96 d.A.) des Urteils vom 04.12.2008 verwiesen.
Gegen das ihr am 09.02.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.03.2009 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 14.04.2009 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 11.05.2009 begründet.
Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, die Entscheidung des Arbeitsgerichts hinsichtlich der Kündigung vom 25.08.2008 sei in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft. So sei unberücksichtigt geblieben, dass dem Kläger mit Schreiben vom 30.06.2008 eine ...