Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame ordentliche Kündigung eines Technischen Leiters wegen eines Lieferantenaustauschs bei unsubstantiierten Darlegungen der Arbeitgeberin zur betrieblichen Stellung des Gekündigten und zur Umverteilung von Arbeitsaufgaben. unbegründeter Auflösungsantrag der Arbeitgeberin bei unsubstantiierten Darlegungen zur voraussichtlichen Störung der betrieblichen Zusammenarbeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Zur Begründung einer verhaltensbedingten Kündigung hat die Arbeitgeberin ein schuldhaftes Fehlverhalten des Arbeitnehmers als Abweichung des tatsächlichen Verhaltens oder der tatsächlichen Leistung von der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen darzulegen; dabei sind die Prozessparteien voll umfänglich zur Substantiierung des tatsächlichen Vorbringens verpflichtet.
2. Wirft die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer vor, dass er unter Ausnutzung seiner Stellung als technischer Leiter einen langjährigen Lieferanten durch eine andere Firma, mit deren Geschäftsführer er persönlich bekannt ist, ausgetauscht hat, wobei die deutlich teureren Produkte dieser Firma im betrieblichen Ablauf zu erheblichen Störungen geführt haben, und er zudem die Einkaufsabteilung umgangen und sich über Bedenken der ihm unterstellten Beschäftigten hinweggesetzt hat, dürfen die diesbezügliche Darlegungen der Arbeitgeberin nicht so allgemein gehalten sein, dass sie einem substantiierten Bestreiten durch den Arbeitnehmer nicht zugänglich ist; die Arbeitgeberin hat deshalb insbesondere darzulegen, inwieweit es dem Arbeitnehmer im Hinblick auf seine vertraglichen Befugnisse und seine vertragliche Stellung im Betrieb der Arbeitgeberin anzulasten ist, über die tatsächlich vereinbarten oder sonst im Rahmen von Weisungen gesetzten Grenzen hinaus Entscheidungen getroffen zu haben, von denen der Arbeitnehmer hätte erkennen müssen, dass sie zu einem für die Arbeitgeberin negativen Ergebnis führen werden.
3. Zur Darlegung, dass die Abteilungsleiter, die nach der betriebsbedingten Kündigung des Technischen Leiters nunmehr allein für die ihnen unterstellten Beschäftigten verantwortlich und denen teilweise Aufgaben des gekündigten Arbeitnehmers übertragen worden sind, diese zusätzlichen Aufgaben im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erledigen können, hat die Arbeitgeberin vorzutragen, welche Aufgaben tatsächlich den einzelnen Abteilungsverantwortlichen vor Ausspruch der Kündigung oblagen und welche wöchentliche Arbeitszeit sie dafür benötigten; da die zusätzlich übertragenen Aufgaben, die zuvor der gekündigte Technische Leiter ausgeführt hat und die nunmehr von den Abteilungsverantwortlichen wahrgenommen werden sollen, für diese naturgemäß einen höheren Arbeitszeitbedarf nach sich ziehen, hat die Arbeitgeberin im Rahmen ihrer gesteigerten Darlegungslast im Einzelnen darzulegen, dass diese zusätzlichen Aufgaben auch innerhalb der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erbracht werden können.
4. Ein dringendes betriebliches Bedürfnis für die ordentliche Kündigung eines Technischen Leiters ist nicht ausreichend dargelegt, wenn nicht erkennbar wird, dass die Beschäftigten, soweit ihnen zusätzliche Verantwortlichkeiten übertragen worden sind, deren Wahrnehmung überhaupt arbeitsvertraglich schulden, obwohl es sich um höherwertige Tätigkeiten handelt, die die Abteilungsverantwortlichen bisher noch nicht wahrgenommen haben.
5. Allein die Behauptung der Arbeitgeberin, andere Beschäftigte hätten sich entschlossen, die Arbeitgeberin zu wechseln, da ihnen auf Dauer eine weitere Zusammenarbeit mit dem gekündigten Arbeitnehmer nicht möglich erscheint, stellt keinen Auflösungsgrund im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG dar, da nicht zu erkennen ist, ob die Äußerung dieser Beschäftigten einen sachlich nachvollziehbaren Grund hat.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 2, § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3, § 9 Abs. 1 S. 2, § 14 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 11.12.2012; Aktenzeichen 6 Ca 229/12) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 11.12.2012, Az.: 6 Ca 229/12, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung sein Ende gefunden hat oder aber die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger einstweilen weiterzubeschäftigen sowie unter anderem auch darüber, ob das Arbeitsverhältnis auf Antrag der Beklagten aufzulösen ist.
Der 1966 geborene, verheiratete und zwei minderjährigen Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.01.2008 als Technischer Leiter beschäftigt. Das jährliche Bruttogehalt des Klägers beträgt 150.000,00 EUR nebst Tantieme und Dienstwagen. Die Beklagte beschäftigt ca. 325 Arbeitnehmer.
Der Kläger war dem geschäftsführenden Gesellschafter unmittelbar unterstellt und für die Führung der unterstellten c...