Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsklage auf unpfändbaren Lohn bei unerheblichem Aufrechnungseinwand der Arbeitgeberin
Leitsatz (redaktionell)
1. Die in einer schriftlichen Lohnabrechnung der Arbeitgeberin ausgewiesene Lohnforderung wird streitlos gestellt und muss nicht noch einmal schriftlich geltend gemacht werden; wer aufgrund eigener Abrechnung eine Forderung kennt, braucht von seinem Vertragspartner nicht noch einmal darauf hingewiesen zu werden, wie diese Forderung sich errechnet und dass sie erhoben werden soll.
2. Nach § 400 BGB kann eine Forderung nicht abgetreten werden, soweit sie der Pfändung nicht unterworfen ist; auch die Aufrechnung ist nach § 394 Satz 1 BGB verboten.
3. Mit dem Abtretungsverbot und Aufrechnungsverbot soll der Arbeitnehmer (auch gegen seinen Willen) davor geschützt werden, dass er durch eine Abtretung oder Aufrechnung seiner Lohnansprüche die Geldmittel verliert, die er zur Bestreitung seines Lebensunterhalts benötigt; ihm sollen unter allen Umständen die für unpfändbar erklärten Forderungen verbleiben, damit ihm die Lebensgrundlage nicht vollständig entzogen wird.
4. § 394 Satz 1 BGB ist zwingend und unabdingbar; entgegenstehende Vereinbarungen sind nach § 134 BGB nichtig.
Normenkette
BGB §§ 394, 400, 611; ZPO § 850 c; BGB §§ 134, 394 S. 1, § 611 Abs. 1; ZPO § 850 Abs. 1, § 850c
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 03.09.2014; Aktenzeichen 3 Ca 749/14) |
Tenor
- Das Versäumnisurteil vom 26. März 2015, Az. 5 Sa 599/14, wird aufrechterhalten.
- Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über rückständiges Arbeitsentgelt.
Der 1979 geborene Kläger war bei der Beklagten vom 15.04.2013 bis zum 31.01.2014 als Jungkoch mit einer monatlichen Arbeitszeit von 173 Stunden zu einem Bruttolohn von € 1.357,00 beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag war auszugsweise folgendes geregelt:
"§ 4 Vergütung
Der Mitarbeiter erhält eine monatliche Vergütung von € 1.357,00 brutto. Die Vergütung erfolgt bargeldlos und wird grundsätzlich am 15. des Folgemonats fällig.
...
§ 6 Gehaltsverpfändung/-abtretung, Pfändung von Vergütungsansprüchen
Der Mitarbeiter darf seine Vergütungsansprüche weder verpfänden noch abtreten.
...
§ 19 Ausschlussfristen
Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten direkt bei der anderen Partei oder beim Arbeitsgericht schriftlich geltend gemacht werden."
Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Kündigung der Beklagten vom 28.12.2013 zum 31.01.2014. Die Beklagte zahlte dem Kläger sowohl für Dezember 2013 als auch für Januar 2014 keinen Lohn. Für Dezember 2013 erstellte sie ihm mit Datum vom 06.01.2014 eine Lohnabrechnung über € 1.309,75 brutto. Mit Schreiben vom 01.04.2014 machte die Gewerkschaft NGG für den Kläger Lohnansprüche für Dezember 2013 und Januar 2014 schriftlich geltend. Die Beklagte bestreitet den Zugang dieses Schreibens. Mit Klageschrift vom 23.04.2014 macht der Kläger die Zahlung von insgesamt € 2.714,00 brutto gerichtlich geltend.
Am 14.05.2014 hat das Arbeitsgericht ein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil erlassen. Gegen das am 22.05.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23.05.2014 Einspruch eingelegt. Das Arbeitsgericht hat das Versäumnisurteil in Höhe eines Betrages von € 2.666,75 brutto (€ 1.309,75 für Dezember 2013 und € 1.357,00 für Januar 2014) nebst Zinsen aufrechterhalten. Im Übrigen hat es die Klage mit Urteil vom 03.09.2014 unter teilweiser Aufhebung des Versäumnisurteils abgewiesen. Gegen das am 10.10.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 07.11.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 09.01.2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.
Sie macht geltend, der Lohnanspruch des Klägers für Dezember 2013 sei aufgrund der in § 19 des Arbeitsvertrags wirksam vereinbarten Ausschlussfrist verfallen. Die Ansicht des Arbeitsgerichts, sie habe durch die erteilte Lohnabrechnung den Anspruch anerkannt, sei unzutreffend. Eine Lohnabrechnung stelle kein Schuldanerkenntnis dar und habe keinen weitergehenden Erklärungswert. Der Lohnanspruch für Januar 2014 sei durch Aufrechnung mit einer abgetretenen Gegenforderung erloschen. Der Kläger sei am 16. und 17.11.2013 umgezogen. Diesen Umzug habe Frau K. für ihn organisiert und ihm dafür am 18.11.2013 einen Betrag in Höhe von € 1.996,37 in Rechnung gestellt. Der Kläger habe Anfang Dezember 2013 mit Herrn K. mündlich vereinbart, dass der Rechnungsbetrag - losgelöst von Pfändungsfreigrenzen - mit der Arbeitsvergütung verrechnet werden soll.
Nachdem die Beklagte im Termin vor dem Landesarbeitsgericht am 26.03.2015 nicht erschienen ist, hat die Berufungskammer Versäumnisurteil erlassen, mit dem die Berufung der Beklagten zurückgewiesen worden ist. Die Beklagte hat gegen das ihr am 01.04.2015 zugestellte Versäumnisurteil am 08....