Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung des Arbeitsvertrages hinsichtlich eines Anspruchs auf Weitergabe von tarifvertraglichen Vergütungserhöhungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Bezugnahme auf Tarifverträge in einem vor der Schuldrechtsreform abgeschlossenen Arbeitsvertrag ist in der Regel als sogenannte Gleichstellungsabrede auszulegen.
2. Eine solche Gleichstellungsabrede beinhaltet, dass auf die "jeweils geltenden" Verträge nur insoweit Bezug genommen wird, wie sie bei einem tarifgebundenen Arbeitnehmer reichen würden. Eine insoweit in Bezug genommene Dynamik endet, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls seiner Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden ist.
Normenkette
BGB §§ 611, 133, 157
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 05.02.2015; Aktenzeichen 2 Ca 1286/14) |
Tenor
- Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 5. Februar 2015, Az. 2 Ca 1286/14, abgeändert und die Klage abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit von Tarifverträgen des Einzelhandels in Rheinland-Pfalz auf ihr Arbeitsverhältnis und daraus folgende Vergütungsansprüche des Klägers.
Die Beklagte betreibt mehrere Einzelhandelskaufhäuser. Sie war zu keinem Zeitpunkt Mitglied eines Arbeitgeberverbands. Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängerinnen - zunächst der M. AG, später der r.,- SB-Warenhaus GmbH - in K. als Verkäufer beschäftigt. In Ziff. 4 des schriftlichen Arbeitsvertrags mit der M. AG vom 30.03.1993 ist folgendes geregelt:
"2. Das Arbeitsverhältnis beginnt am 01.04.1993 ...
4. Der Arbeitnehmer wird in Tarifgruppe ___RG II/4___ eingruppiert. ...
Er erhält ein monatliches Bruttoentgelt in
Höhe von: |
DM ___3.265,-- , das sich wie folgt zusammensetzt: |
Tarifentgelt: |
DM ___3.265,-- |
|
____ 926,-- übertarifliche Zulage |
Mit dieser Regelung sind sämtliche aus dem jeweils geltenden Tarifvertrag sich ergebenden Entgeltansprüche, insbesondere auch solche aus Tariferhöhungen oder Veränderungen der tariflichen Eingruppierung oder Einstufung abgegolten, soweit die vereinbarten Gesamtbezüge die tariflichen Ansprüche nicht unterschreiten. ..."
Bereits vor Abschluss des Arbeitsvertrags mit dem Kläger hatte die M. AG mit der seinerzeit zuständigen Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) einen Haustarifvertrag geschlossen. In einem Überleitungstarifvertrag vom 13.12.1993 (ÜTV M.) ist auszugsweise folgendes geregelt worden:
"1. Manteltarifvertrag
Der Manteltarifvertrag für die ArbeitnehmerInnen der M. AG vom 30. August 1989 tritt am 31.12.1994 ohne Nachwirkung außer Kraft. Ab 01.01.1995 gelten die Branchentarifverträge einschließlich der Protokollnotizen in vollem Umfang.
...
8. Vorbehalt
Das Inkrafttreten dieser Vereinbarung steht unter dem Vorbehalt, daß der GBR der M. AG beschließt, die in § 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung über die Einführung und Anwendung von Scannerkassen vom 30. November 1984 enthaltene Regelung über Erholzeiten an Scanner-Kassen-Arbeitsplätzen bei Weitergeltung dieser Vereinbarung im übrigen außer Kraft zu setzen.
...
10. Erklärungsfrist
Beide Parteien vereinbaren eine Erklärungsfrist bis zum 14.01.1994, 12:00 Uhr."
In einem ersten Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag vom 23.02.1995, gültig ab 01.05.1995, beförderte die M. AG den Kläger zum 1. Verkäufer. In Ziff. 4 des Vertrags wurde geregelt, dass der Kläger in Tarifgruppe RG III/5 eingruppiert wird und ein monatliches Tarifentgelt iHv. DM 3.484,-- erhält. Eine übertarifliche Zulage wurde nicht mehr vereinbart. Der weitere Wortlaut der Ziff. 4 ist mit der Klausel aus dem ersten Vertrag vom 30.03.1993 inhaltsgleich.
Mit Datum vom 21.06.2001 schloss der Kläger mit der r.,- SB-Warenhaus GmbH "in Abänderung des Arbeitsvertrags vom 23.02.1995" folgende Vereinbarung:
1. Mit Wirkung vom 11.06.2001 wird der Mitarbeiter in die Abteilung Getränke versetzt.
2. Unter Berücksichtigung der Arbeitszeit beträgt das Monatsentgelt des/der Mitarbeiter/in von diesem Tage bei unveränderter Eingruppierung, jedoch anteilig brutto monatlich
und setzt sich wie folgt zusammen: |
4.527,00 DM |
Tarifgehalt: |
4.026,00 DM |
evtl. übertarifliche Zulagen |
501,00 DM |
Gesamt brutto |
4.527,00 DM |
Der über das Tarifentgelt hinausgehende und nicht ausdrücklich als nicht anrechenbar bezeichnete Betrag ist eine freiwillige Leistung von r.,- und kann auf Erhöhungen des Tarifentgeltes angerechnet werden
3. Alle übrigen Bestandteile des Arbeitsvertrages einschließlich der vorherigen Änderungen bleiben unberührt."
Eine weitere Änderungsvereinbarung vom 11.07.2005 liegt dem Kläger nicht mehr vor. In einem Schreiben der r.,- SB-Warenhaus GmbH vom 11.07.2005 heißt es:
"Zulage
hiermit bestätigen wir Ihnen, dass die in der Änderungsvereinbarung vom 11.07.2005 zum Arbeitsvertrag vom 23.02.1995 ausgewiesene Zulage in Höhe von Euro 195,00 als nicht anrechenbare Zulage behandelt wird und nicht widerrufbar ist.
Eine entsprechende Änd...