Entscheidungsstichwort (Thema)

Grenzen der Pfändung von Arbeitseinkommen. Berücksichtigung der Unterhaltspflicht gegenüber der Ehefrau und des Elternunterhalts

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Ermittlung des pfändungsfreien Einkommens ist die gesetzliche Unterhaltspflicht eines verheirateten Schuldners gegenüber dem Ehegatten unabhängig davon zu berücksichtigen, ob Barunterhalt geleistet wird. Die Unterhaltspflicht ist vielmehr schon dann zu berücksichtigen, wenn der Schuldner aufgrund beiderseitiger Verständigung angemessen zum Familienunterhalt beiträgt. Bei Ehegatten, die in häuslicher Gemeinschaft leben, ist grundsätzlich von gegenseitigen Unterhaltsleistungen, durch die die Kosten des Familienunterhalts gemeinsam bestritten werden, auszugehen.

2. Ein durch den Schuldner geleisteter Beitrag zur Unterbringung und Pflege seiner Mutter ist hingegen bei der Ermittlung des pfändungsfreien Einkommens nur dann in Abzug zu bringen, wenn auch tatsächlich eine Unterhaltspflicht besteht (hier: verneint mangels Leistungsfähigkeit des Schuldners).

3. Die Annahme eines "verschleierten Arbeitseinkommens" gem. § 850h Abs. 2 ZPO setzt voraus, dass der Schuldner dem Dritten in einem ständigen Verhältnis Arbeiten und Dienste leistet, die nach Art und Umfang üblicherweise vergütet werden, die insoweit als üblich anzusehende Vergütung aber nicht oder nur in geringerem Umfang gezahlt wird (hier: verneint).

 

Normenkette

BGB §§ 1360, 1360 a, 1601, 1603, 611 Abs. 1; GewO § 107 Abs. 2 S. 5; InsO § 287 Abs. 2, § 35 Abs. 1, § 36 Abs. 1; ZPO §§ 850, 850 c, 850 e, 850 h Abs. 2; BGB §§ 611, 1603 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 03.08.2017; Aktenzeichen 5 Ca 2126/16)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 03.08.2017 - 5 Ca 2126/16 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.088,51 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.07.2016 zu zahlen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  • II.

    Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben der Kläger zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4 zu tragen.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 11/13 und die Beklagte zu 2/13 zu tragen.

  • III.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter im Wege der Drittschuldnerklage die Beklagte auf Zahlung des pfändbaren Teils des seiner Ansicht nach verschleierten Arbeitseinkommens des Streitverkündeten (Schuldner) in Anspruch.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 15. Juli 2010 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners (Beschluss des Amtsgerichts K-Stadt vom 15. Juli 2010 - 00 XX 000/00 - Bl. 7, 8 d. A.). Dieser ist mit der Geschäftsführerin der Beklagten seit dem 13. Dezember 2013 verheiratet und bei der Beklagten als kaufmännischer Angestellter auf der Grundlage des Anstellungsvertrages vom 29. Januar 2014 (Bl. 10 - 12 d. A.) und des für die Zeit ab dem 1. April 2015 geschlossenen Änderungsvertrags vom 30. März 2015 (Bl. 13 d. A.) beschäftigt. Gemäß dem vorgenannten Änderungsvertrag erhielt der Schuldner ab dem 1. April 2015 ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 1.850,00 EUR bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von wöchentlich 40 Stunden. Zugleich wurde ihm von der Beklagten auch zur Privatnutzung ein Fahrzeug, BMW i8, mit einem Bruttolistenpreis von 165.521,00 EUR zur Verfügung gestellt. In den monatlichen Gehaltsabrechnungen ist neben dem Gehalt in Höhe von 1.850,00 EUR brutto für den vorgenannten Pkw ein geldwerter Vorteil von 1.655,21 EUR brutto abgerechnet. Das danach abgerechnete "Gesamt-Brutto" in Höhe von 3.505,21 EUR ergibt nach den steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Abzügen einen Netto-Verdienst in Höhe von 2.169,50 EUR, von dem für die Privatnutzung des Pkw jeweils ein Betrag in Höhe von 1.655,21 EUR netto wieder in Abzug gebracht wurde (vgl. Abrechnung für Januar 2016, Bl. 14 d. A.). Seine pfändbaren Bezügen aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten hatte der Schuldner zur Erlangung der erstrebten Restschuldbefreiung für die Zeit von sechs Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Kläger abgetreten. Mit Beschluss des Amtsgerichts K-Stadt vom 22. August 2016 - 00 XX 000/00 - (Bl. 29 d. A.) wurde dem Schuldner Restschuldbefreiung erteilt.

Mit seiner beim Arbeitsgericht Koblenz erhobenen Klage hat der Kläger unter Zugrundelegung eines monatlich pfändbaren Betrags von 1.074,89 EUR für die Zeit von April 2015 bis Juni 2016 die Zahlung eines Betrags von 15.048,46 EUR verlangt. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte bereits vor Klageerhebung einen Teilbetrag in Höhe von 1.542,87 EUR an den Kläger gezahlt hatte, hat er die Klage insoweit zurückgenommen. Nach der am 24. August 2016 erfolgten Zahlung eines weiteren Teilbetrags von 1.542,87 EUR haben die Parteien den Rechtstreit in dieser Höhe übereinstimmend für erledigt erklärt. Zur Begründung der Klageforderung hat er vorge...

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