Entscheidungsstichwort (Thema)

Gläubigerbenachteiligung durch sittenwidrige Verringerung des Monatseinkommens um nahezu zwei Drittel bei gleicher Arbeitszeit. Klage des Insolvenzverwalters gegen die Arbeitgeberin auf Zahlung von Arbeitseinkommen für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitnehmers bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zur Herabsetzung der Arbeitszeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Arbeitseinkommen fällt nach den Regelungen der §§ 35 Abs. 1, 36 Abs. 1 Satz 2 InsO in die Insolvenzmasse, soweit es pfändbar ist. Auch verschleiertes Arbeitseinkommen im Sinne des § 850h Abs. 2 ZPO gehört in Höhe des pfändbaren Teils der angemessenen Vergütung zur Insolvenzmasse.

2. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO ist auch § 850h Abs. 2 ZPO entsprechend anwendbar. Damit wird die Masse zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger um den pfändbaren Teil des verschleierten Arbeitseinkommens erweitert.

3. Die Änderung des Arbeitsvertrages verstößt gemäß § 138 Abs. 1 BGB gegen die guten Sitten, wenn der als “Tischlermeister„ und “Betriebsleiter„ beschäftigte Arbeitnehmer (Schuldner) weiterhin eine Arbeitsleistung im Umfang von 40 Wochenstunden erbringen soll und seine Vergütung um nahezu zwei Drittel gekürzt wird.

4. Auch wenn die Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Voraussetzungen des § 850h ZPO dem klagenden Insolvenzverwalter obliegt, trifft die Arbeitgeberin gleichwohl eine sekundäre Darlegungslast. Gerade bei Drittschuldnerklagen ist ein substantiiertes Bestreiten zu verlangen, da die Drittschuldnerin die Umstände der Beschäftigung des Schuldners kennt, so dass aufgrund ihrer Sachnähe erhebliche Anforderungen an ihr Bestreiten zu stellen sind.

5. Hat der Insolvenzverwalter unter Bezugnahme auf den Inhalt des Arbeitsvertrags schlüssig zu Art und Umfang der Tätigkeit des Schuldners vorgetragen, dass dieser als “Tischlermeister„ und “Betriebsleiter„ bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden eine Vergütung von 7.000 Euro brutto monatlich erzielte, wird die Arbeitgeberin mit der pauschalen Behauptung, dass sie die dem Schuldner zugewiesenen Tätigkeiten nach und nach an andere und zum Teil neu in den Bereich eingearbeitete Mitarbeiter übertragen hat und die Akquise von Aufträgen inzwischen überwiegend von einer auswärtigen Firma gegen Provision übernommen wird, ihrer sekundären Darlegungslast zum Umfang der vereinbarten Tätigkeit nach Verringerung der Vergütung um nahezu zwei Drittel nicht gerecht. Ohne substantiiertes Bestreiten gilt das tatsächliche Vorbringen des klagenden Insolvenzverwalters gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.

 

Normenkette

InsO §§ 35-36; ZPO § 850h Abs. 2; InsO § 35 Abs. 1, § 36 Abs. 1 S. 2; BGB § 138 Abs. 1, § 611 Abs. 1; ZPO § 138 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Entscheidung vom 05.11.2015; Aktenzeichen 2 Ca 722/15)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 5. November 2015, Az. 2 Ca 722/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche des Insolvenzverwalters für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners.

Der 1953 geborene Schuldner ist ausweislich eines vorgelegten Arztbriefes vom 17.08.2012 in der Zeit vom 16. bis 18.08.2012 wegen einer Herzerkrankung stationär behandelt worden. Mit Wirkung ab 01.02.2013 schloss er mit der Beklagten, deren Geschäftsführerin seine Tochter ist, einen Arbeitsvertrag. Dieser sah vor, dass der Schuldner als Tischlermeister und Betriebsleiter mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden zu einer monatlichen Vergütung von € 7.000,00 brutto beschäftigt wird. Bei Lohnsteuerklasse I errechnet sich ein Nettoverdienst von € 3.800,68.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 10.05.2013 (75 IN 126/13) wurde über das Vermögen des Schuldners auf Antrag einer Gläubigerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Ein Antrag des Schuldners auf Restschuldbefreiung liegt nicht vor.

Mit Datum 27.05.2013 schlossen der Schuldner und die Beklagte zwei Änderungsverträge. Ein Vertrag sieht vor, dass rückwirkend zum 01.05.2013 die monatliche Vergütung auf € 2.500,00 brutto herabgesetzt wird. Er enthält darüber hinaus den Satz: "Alle weiteren Vereinbarungen bleiben bestehen." Bei Lohnsteuerklasse I errechnet sich ein Nettoverdienst von € 1.634,74, der bei Unterhaltspflichten für zwei Personen nicht pfändbar ist. Der zweite Änderungsvertrag mit Datum vom 27.05.2013 führt in einer Präambel aus, dass der Schuldner wegen einer Herzerkrankung auf dringendes Anraten seines Arztes die Arbeitszeit reduzieren möchte und die Beklagte diesem Wunsch nachkomme. Neben der auf € 2.500,00 brutto geänderten Vergütung, sieht der Vertrag eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit des Schuldners von 15 Stunden vor. Die Änderung des Arbeitsvertrags focht der Kläger mit Schreiben vom 01.11.2013 an.

Mit der am 17.06.2015 beim Arbeitsgericht Trier einge...

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