Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweiserleichterung bei Geltendmachung entgangenen Gewinns. Höhe des Schadensersatzanspruchs der Arbeitgeberin bei kostenloser Lieferung eines markgängigen Felgensatzes durch den Verkaufsleiter. Anforderungen an Darstellung und Umfang eines schlüssigen Sachvortrags

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Feststellung eines entgangenen Gewinns kommen der zum Schadenersatz Berechtigten die Darlegungs- und Beweiserleichterungen gemäß § 252 Satz 2 BGB zu Gute; nach dieser Vorschrift gilt als entgangen der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.

2. § 252 Satz 2 BGB bietet der Geschädigten zwei Möglichkeiten der Schadensberechnung, nämlich zum einen die abstrakte Methode, die von den im handelsüblichen Geschäftsverkehr im Einzelfall zu erzielenden Gewinnen ausgeht, und zum anderen die konkrete Methode, bei der die Geschädigte nachweist, dass sie durch die schädigende Handlung an der Durchführung bestimmter Geschäfte gehindert worden ist und dass ihr wegen der Nichtdurchführbarkeit dieser Geschäfte Gewinn entgangen ist.

3. Im kaufmännischen Geschäftsverkehr entspricht es dem "gewöhnlichen Lauf der Dinge", dass marktgängige Waren jederzeit zum Marktpreis abgesetzt werden können.

4. Handelt die Arbeitgeberin in ihren Autohäusern gewerbsmäßig mit Kraftfahrzeugen sowie mit Ersatzteilen, Zubehör und Reifen, kann sie ihrer abstrakten Schadensberechnung ohne weiteres zugrunde legen, dass sie einen vom Arbeitnehmer kostenlos gelieferten Felgen-Reifen-Satz im Rahmen ihres Geschäftsbetriebs zum "offiziellen" Wiederverkaufspreis hätte weiterveräußern können; ein solcher vom Arbeitnehmer nicht widerlegter Vortrag reicht aus, um einen Schaden in der geltend gemachten Höhe zu begründen.

5. Brabus-Felgen und Pirelli-Reifen sind marktgängige Waren, die eine abstrakte Schadensberechnung erlauben, soweit sie in Serie produziert werden und von der Kundschaft im Händlerkatalog ausgesucht und bestellt werden können.

6. Für einen schlüssigen Vortrag genügt es nicht, kopierte Notizblätter einzureichen ohne die streitgegenständlichen Einzelforderungen zusammenhängend und nachvollziehbar darzustellen; es ist nicht Aufgabe des (Berufungs-) Gerichts, den entscheidungserheblichen Sachverhalt aus den eingereichten Unterlagen ("Zettelwirtschaft") zusammenzusuchen.

7. Hat die darlegungspflichtige Partei alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft, um ihrer primären Darlegungspflicht zu genügen, und steht sie außerhalb des für ihren Anspruch erheblichen Geschehensablaufs, während die Gegenpartei alle wesentlichen Tatsachen kennt und ihr nähere Angaben zuzumuten sind, kann von der Gegenpartei nach den Grundsätzen der sekundären Behauptungslast das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände und damit der Vortrag positiver Gegenangaben verlangt werden.

 

Normenkette

BGB §§ 252, 611, 823 Abs. 2; StGB § 266 Abs. 1; BGB § 252 Sätze 1-2, §§ 389, 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 22.05.2014; Aktenzeichen 3 Ca 1443/13)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 22. Mai 2014, Az. 3 Ca 1443/13, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    1. Die Klage wird abgewiesen.
    2. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte zu 1)

      1. € 225,- und
      2. € 3.920,- nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.02.2014

      zu zahlen.

    3. Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.
  • II.

    Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat der Kläger 28 % und die Beklagten zu 1) 72 % zu zahlen.

  • III.

    Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 14 % und die Beklagte zu 1) 86 % zu zahlen.

  • IV.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über restliche Vergütungs- und Schadensersatzansprüche.

Der Kläger war bei der Beklagten zu 1) seit August 1983 als Verkäufer, seit Januar 2000 als Verkaufsleiter Pkw beschäftigt. Ihm war Prokura erteilt. Die Beklagte zu 1) ist eine Kommanditgesellschaft, die Beklagte zu 2) deren Komplementär-GmbH. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete durch außerordentliche Kündigung der Beklagten zu 1) vom 10.07.2013. Das steht aufgrund der Rechtskraft des Urteils im Kündigungsschutzprozess fest (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 03.07.2014 - 5 Sa 27/14 - [...]; BAG 14.01.2015 - 2 AZN 827/14).

Die Monatsvergütung des Klägers betrug seit 2011 € 8.500,- brutto. Dieser Betrag setzte sich aus einem Grundgehalt, einer pauschalierten Provision und einem Tantiemevorschuss zusammen, der seit Januar 2011 € 830,- betrug. Die Beklagte zu 1) reduzierte den Vorschuss ab Mai 2013 einseitig auf € 300,-. Mit seinem Klageantrag zu 1a) machte der Kläger die Monatsgehälter für Juli und August 2013 iHv. € 17.000,- brutto geltend. Mit dem Klageantrag zu 1c) verlangte er restliche Tantiemevorschüsse für die Monate Mai und Juni 2013 iHv. € 1.060,- (2 x ...

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