Entscheidungsstichwort (Thema)
Stichtagsregelung für Jahressonderzahlung in gemeinnütziger Alten- und Pflegeeinrichtung der Evangelischen Altenhilfe. Unbegründete Zahlungsklage einer Altenpflegerin bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor dem tarifvertraglich bestimmten Stichtag
Leitsatz (amtlich)
1. In Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB beschränkt sich die Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB bei dynamisch in Bezug genommenen kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen auf eine Rechtskontrolle, wenn diese auf dem Dritten Weg nach den einschlägigen Organisations- und Verfahrensvorschriften von einer paritätisch mit weisungsunabhängigen Mitgliedern besetzten Arbeitsrechtlichen Kommission beschlossen wurden. Maßstab der Rechtskontrolle ist wie bei Tarifverträgen, ob die Regelung gegen die Verfassung, höherrangiges zwingendes Recht oder die guten Sitten verstößt.
2. Die Stichtagsregelung zur Jahressonderzahlung in § 19 BAT KF aF hält dieser Rechtskontrolle stand. Die Vorschrift verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG, noch gegen Art. 12 Abs. 1 GG.
Normenkette
BAT KF a.F. § 19; BGB §§ 307, 310 Abs. 4; GG Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1; BGB § 307 Abs. 1 S. 1, § 310 Abs. 4 S. 2, § 319 Abs. 1; BAT-KF § 19 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 18.08.2015; Aktenzeichen 11 Ca 4886/14) |
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Sonderzahlung für das Jahr 2014.
Die Klägerin war ab 01. Mai 2000 aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom gleichen Tag (Bl. 8 ff. d. A., im Folgenden: AV) bei der Beklagten, die als gemeinnützige Alten- und Pflegeeinrichtung der Evangelischen Altenhilfe des Kirchenkreises A ein Altenzentrum betreibt, als Altenpflegerin zu einem Bruttogehalt von zuletzt 3.070,84 Euro beschäftigt. Nach § 2 AV bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundesangestelltentarifvertrag in der für die Angestellten im Bereich der Evangelischen Kirche des Rheinlands jeweils geltenden Fassung (BAT-KF) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung, sowie den jeweils gültigen Dienstvereinbarungen.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete zum 30. September 2014 aufgrund Eigenkündigung der Klägerin.
Der BAT-KF wird als kirchliche Arbeitsrechtsregelung im sog. Dritten Weg von der aus 18 Mitgliedern bestehenden Arbeitsrechtlichen Kommission Rheinland-Westfalen-Lippe beschlossen, die sich der gleichberechtigten Teilhabe von Dienstnehmern und Dienstgebern (Parität) folgend aus 9 Vertreterinnen und Vertretern der Dienstnehmerseite und 9 Vertreterinnen und Vertretern der Dienstgeberseite zusammensetzt (§ 5 Abs. 1 Kirchengesetz über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst vom 15. November 2001, idF vom 21. November 2013, Arbeitsrechtsregelungsgesetz (ARRG)). Die Arbeitsrechtliche Kommission ist unabhängig, ihre Mitglieder in ihren Entscheidungen an Weisungen nicht gebunden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und 2 ARGG). Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission zu Arbeitsrechtsregelungen bedürfen einer Mehrheit von mindestens 14 Stimmen (§ 11 Abs. 6 Satz 1 ARGG).
Zum Zeitpunkt des Ausscheidens der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis lautete § 19 BAT-KF vom 22. Oktober 2007 idF. der redaktionellen Überarbeitung vom 21. November 2007, zuletzt idF. vom 27. Oktober 2010 (im Folgenden: BAT-KF aF) wie folgt:
"§ 19 Jahressonderzahlung
(1) Mitarbeitende, die am 01. Dezember im Arbeitsverhältnis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung.
(2) Die Jahressonderzahlung beträgt
in den Entgeltgruppen 1 bis 8 |
90 v.H., |
in den Entgeltgruppen 9 bis 12 |
80 v. H. und |
in den Entgeltgruppen 13 bis 15 |
60 v. H. |
des der/dem Mitarbeitenden in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlten monatlichen Entgelts; unberücksichtigt bleiben hierbei das zusätzlich für Überstunden gezahlte Entgelt mit Ausnahme der im Dienstplan vorgesehenen Überstunden, Leistungszulagen, Leistungs- und Erfolgsprämien. ...
(3) Der Anspruch nach den Absätzen 1 bis 3 vermindert sich um ein Zwölftel für jeden Kalendermonat, in dem Mitarbeitende keinen Anspruch auf Entgelt oder Fortzahlung des Entgelts nach § 21 haben. Die Verminderung unterbleibt für Kalendermonate,
1. für die Mitarbeitende kein Tabellenentgelt erhalten haben wegen
a) Ableistung von Grundwehrdienst oder Zivildienst, wenn sie diesen vor dem 1. Dezember beendet und die Beschäftigung unverzüglich wieder aufgenommen haben,
b) Beschäftigungsverboten nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG,
c) Inanspruchnahme der Elternzeit nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz19 bis zum Ende des Kalenderjahres, in dem das Kind geboren ist, wenn am Tag vor Antritt der Elternzeit Entgeltanspruch bestanden hat;
2. in denen ...