Entscheidungsstichwort (Thema)

Mutterschaftslohn bei Beschäftigungsverbot. Erschütterung des Beweiswerts eines ärztlichen Beschäftigungsverbots

 

Leitsatz (redaktionell)

Ist der Beweiswert eines ärztlichen Beschäftigungsverbots erschüttert, muss sich das Gericht die näheren Gründe für ein Beschäftigungsverbot vom Arzt erläutern lassen. Kann das Gericht nach einer entsprechenden Beweisaufnahme die Voraussetzungen des Beschäftigungsverbots nicht feststellen, geht dies zu Lasten der schwangeren Arbeitnehmerin. Die Arbeitnehmerin trägt dann die Beweislast dafür, dass ein wirksames Beschäftigungsverbot vorliegt.

 

Normenkette

MuSchG § 11 Abs. 1, § 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 06.11.2003; Aktenzeichen 2 Ca 1390/03)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 06.11.2003, Az.: 2 Ca 1390/03 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung von Mutterschaftslohn.

Die Klägerin ist seit dem 12.05.2000 bei der Beklagten, einem Handelsunternehmen, als Kassiererin in einer Tankstelle gegen Zahlung einer monatlichen Vergütung in Höhe von 1.778,88 EUR brutto im Schichtdienst beschäftigt.

Sie wurde schwanger und teilte dies der Beklagten am 22.05.2003 mit. Nach Rücksprache mit dem Gewerbeaufsichtsamt versetzte die Beklagte am 03.06.2003 die Klägerin, die in der Vergangenheit bereits einmal eine Fehlgeburt erlitten hatte, vom bisherigen Arbeitsplatz, an welchem sie unter anderem toxischen Gasen ausgesetzt war, in den allgemeinen Verwaltungsbereich, wo die Klägerin mit einer täglichen Arbeitszeit von 7 ¾ Stunden bei einer einstündigen Mittagspause in Gleitzeit arbeiten sollte.

Nachdem sie 1,5 Tage an ihrem neuen Arbeitsplatz tätig gewesen war, war die Klägerin vom 06.06.2003 bis 11.07.2003 arbeitsunfähig erkrankt und legte der Beklagten entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, ausgestellt von Dr. A., vor. Am Montag, den 14.07.2003 erschien die Klägerin bei der Beklagten und erklärte, sie könne wegen Schwangerschaftsproblemen die Arbeit nicht aufnehmen.

Am 15.07.2003 erteilte Dr. A. der Klägerin folgende ärztliche Bescheinigung (vgl. Bl. 3 d.A).:

„Wegen einer Gesundheitsgefährdung von Mutter und Kind besteht bei oben genannter Patientin ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG bis zur Entbindung.”

Der für die Klägerin errechnete Entbindungstermin war der 10.01.2004.

Mit einem an Dr. X gerichteten Schreiben vom 16.07.2003 (vgl. Bl. 31 f. d.A.) widersprach die Beklagte dem Beschäftigungsverbot und bat den Arzt um Ausstellung einer weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Der spätere Prozessbevollmächtigte der Beklagten sandte Dr. X ein Schreiben unter dem gleichen Datum (vgl. Bl. 33 ff. d.A.), in welchem er den Arzt unter anderem aufforderte, ggf. die behebbaren Arbeitsumstände für das Beschäftigungsverbot mitzuteilen. Dr. X antwortete auf beide Schreiben nicht.

Mit ihrer beim Arbeitsgericht Kaiserslautern erhobenen und später geänderten Klage hat die Klägerin, die ab dem 22.08.2003 Sozialhilfe in Höhe von monatlich 549,80 EUR bezog, zuletzt die Leistung von Mutterschutzlohn für die Zeit vom 18.07.2003 bis 30.09.2003 abzüglich der während dieser Zeit erhaltenen Sozialhilfe geltend gemacht.

Die Klägerin hat vorgetragen,

der Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung über das Beschäftigungsverbot sei von der Beklagten nicht durch den notwendigen Vertrag von Umständen erschüttert worden, die zu ernsthaften Zweifeln an dem Verbot veranlassen könnten. Im Übrigen habe der Arzt unter Beachtung von § 3 Abs. 1 MuSchG in Kenntnis der nach der Versetzung für die Klägerin geltenden Arbeitsumstände das Beschäftigungsverbot erklärt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Monat Juli 2003 776,51 EUR brutto, für den Monat August 2003 1.778,88 EUR brutto abzüglich 177,35 EUR netto, für den Monat September 2003 1.778,88 EUR brutto abzüglich 549,80 EUR netto, nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat ausgeführt,

der Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung über das Beschäftigungsverbot sei erschüttert, zumal Dr. X erst nach einer Intervention der Krankenkasse der Klägerin nach der vorausgegangenen Arbeitsunfähigkeit nahtlos ein Beschäftigungsverbot attestiert habe. Während ihrer Krankheit habe die Klägerin ihren alten Arbeitsplatz im Tankstellenbereich aufgesucht um dort Gespräche mit Kollegen bzw. Kolleginnen und Kunden zu führen. Nachdem Dr. X auf die beiden Schreiben vom 16.07.2003 nicht geantwortet habe, könne nicht davon ausgegangen werden, dass er Kenntnis von den aktuellen Arbeitsbedingungen der Klägerin gehabt habe, als er das Beschäftigungsverbot ausgesprochen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die beim Arbeitsgericht eingereichten Schriftsätze beider Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Kaiserslaut...

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