Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufung. Gemeinschaftsbriefkasten. Säumnis. Versäumnisurteil, zweites. Zustellung. Berufung gegen II. Versäumnisurteil
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Verschuldensbegriff des § 514 Abs. 2 ZPO „Fall der schuldhaften Versäumung”) bestimmt sich nach den gleichen Maßstäben wie bei der Wiedereinsetzung gem. § 233 ZPO.
2. Der Umstand, dass ein Gemeinschaftsbriefkasten besteht, schließt zwar die Annahme einer unverschuldeten Unkenntnis einer darin zugestellten Ladung nicht ohne weiteres aus. Allerdings ist es anerkanntes Recht, dass es eine Partei dann nicht bei dem gemeinschaftlichen Briefkasten belassen darf, wenn sie befürchten muss, dass für sie bestimmte Postsendungen sie auf diesem Wege nicht oder nicht unverzüglich erreichen könnten.
Normenkette
ZPO §§ 180, 182, 233, 514
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 27.01.2005; Aktenzeichen 7 Ca 1707/04) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das II. Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.01.2005 – 7 Ca 1707/04 – wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 20.000,– EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagte – gestützt auf die Behauptung, zwischen den Parteien habe ein Arbeitsverhältnis bestanden, – Vergütungsansprüche für die Zeit vom 01.12.2003 bis zum 12.03.2004 und für die Zeit vom 01.05.2004 bis zum 16.09.2004 geltend.
Im Termin vom 13.01.2005 ist vom Arbeitsgericht antragsgemäß das (I.) Versäumnisurteil – 7 Ca 1707/04 – gegen die Beklagte erlassen worden. In dem Versäumnisurteil vom 13.01.2005 – 7 Ca 1707/04 – wurde die Beklagte verurteilt, an den Kläger 20.000,– EUR zu zahlen. Auf den Einspruch der Beklagten vom 19.01.2005 (Bl. 42 f. d. A.) bestimmte das Arbeitsgericht Termin auf den 27.01.2005. Die Zustellungsurkunde vom 21.01.2005 bezüglich der Zustellung der Ladung an die Beklagte befindet sich in Bl. 48/48 R d. A.; hierauf wird verwiesen. Im Termin vom 27.01.2005 erließ das Arbeitsgericht das II. Versäumnisurteil gegen die Beklagte. Das II. Versäumnisurteil wurde der Beklagten am 01.02.2005 zugestellt.
Die Beklagte hat ihre am 25.02.2005 gegen das II. Versäumnisurteil vom 27.01.2005 – 7 Ca 1707/04 – eingelegte Berufung am 15.04.2005 – innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist – mit dem Schriftsatz vom 14.04.2005 begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 14.04.2005 (Bl. 94 ff. d. A.) verwiesen. Dort macht die Beklagte u.a. geltend, dass sie die laut Aktenlage zugestellte Ladung (zum Einspruchstermin) nie erhalten habe. Sie habe bis heute keine Kenntnis davon, was mit ihrem zugestellten Schriftstück passiert sei. Sie, die Beklagte, müsse ihren Briefkasten mit vier anderen Parteien des Wohnkomplexes „A-Straße”) teilen, so dass mindestens sieben bis acht Personen Zugriff auf den gemeinsamen Briefkasten hätten. Dass sie die Ladung nicht erhalten habe, kann sich die Beklagte nur so erklären, dass eine der anderen Parteien das Schriftstück versehentlich oder vielleicht sogar absichtlich entfernt habe. Die Beklagte sei ab dem 20.01.2005 einige Tage nicht zu Hause gewesen. Sie habe mit ihrem krebskranken Vater Klinik- und Arztbesuche getätigt. In dieser Zeit habe die Beklagte bei ihrem Vater in der L.-straße 2 b in G. geschlafen bzw. in ihrem Büro in K.. Als die Beklagte nach ihrer Abwesenheit ihre Wohnung aufgesucht habe, sei die Ladung nicht in ihrem Briefkasten gewesen. Hätte sie die Ladung erhalten, hätte sie den Termin wahrgenommen.
Die Beklagte führt weiter aus, dass sie sowie die anderen Parteien des Wohnkomplexes sich bereits vor zwei bis drei Jahren mit der zuständigen Postbeamtin in Verbindung gesetzt und darum gebeten hätten, dass für alle Parteien die Post zu ihren Wohneinheiten auf dem Gelände zugestellt werde. Die zuständige Sachbearbeiterin der Post habe diesbezüglich mitgeteilt, dass dies nicht möglich sei, da der einheitliche Briefkasten seit Jahren genutzt werde und die Zustellung der Post zu den jeweiligen Wohneinheiten mit einem erheblichen Arbeitsaufwand für die zuständige Postbeamtin verbunden wäre. Da die Beklagte als Mieterin vorliegend mit dem Vermieter und den übrigen Parteien keinen Streit gewollt habe, sei dies akzeptiert worden. Ebenfalls verwiesen wird auf die eidesstattliche Versicherung der Beklagten vom 06.04.2005 (Bl. 99 d. A.) sowie auf den Schriftsatz vom 13.06.2005 (nebst Anlagen, Bl. 148 ff. d. A.), den die Beklagte im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens zur Gerichtsakte gereicht hat (s. dazu insbesondere die Lichtbilder des fraglichen Briefkastens, Bl. 162 d. A.).
Die Beklagte beantragt,
das II. Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.01.2005 – 7 Ca 1707/04 – aufzuheben und unter Abänderung des I. Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 13.01.2005 – 7 Ca 1707/04 – die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger...