Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungskündigung. Sonderkündigungsschutz
Leitsatz (redaktionell)
1. Gegenüber einem Ersatzmitglied des Betriebsrats ist nur eine Änderungskündigung aus wichtigem Grund nach Vorlage der Zustimmung des Betriebsrats oder deren Ersetzung durch gerichtliche Entscheidung zulässig.
2. Die Anwendbarkeit des § 103 BetrVG im Anwendungsbereich des § 15 KSchG ist auch im Fall einer generellen Massenänderungskündigung eröffnet. Darin liegt keine unzulässige Begünstigung der Betriebsratsmitglieder nach § 78 S. 2 BetrVG.
Normenkette
KSchG § 15; BetrVG §§ 103, 78
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 06.05.2003; Aktenzeichen 5 Ca 430/03) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein – Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz – vom06.05.2003 – 5 Ca 430/03 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung des Arbeitgebers.
Der Kläger steht seit dem 09.05.1988 als Drucker in den Diensten der Beklagten. Sein durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen beläuft sich auf 2.644,58 EUR. Die Beklagte beschäftigt ca. 175 Arbeitnehmer. Der Kläger ist Mitglied des bei der Beklagten gewählten Betriebsrates.
Mit Schreiben vom 28.02.2003 – zugegangen am gleichen Tag – kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.07.2003 und bot dem Kläger in einem zugleich beigefügten Arbeitsvertrag die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu neuen Bedingungen an. Wegen der weiteren Einzelheiten der beabsichtigten Änderung des Arbeitsverhältnisses wird auf Bl. 8, 9 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Der Kläger nahm das Änderungsangebot nicht an.
Ein Antrag der Beklagten auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten Kündigung wurde im Verfahren 6 BV 1338/02 zurückgewiesen.
Mit seiner am 21.03.2003 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die ausgesprochene Änderungskündigung gewandt.
Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten,
die Kündigung sei gemäß § 134 BGB nichtig, da eine ordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds zur Änderung der Arbeitsvertragsbedingungen nach § 15 KSchG ausgeschlossen sei.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 28.02.2003 nicht aufgelöst worden ist.
- Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen als Drucker bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich
Klageabweisung beantragt
und die Auffassung vertreten, der Sonderkündigungsschutz nach § 15 KSchG greife in Fällen einer Massenänderungskündigung nicht ein.
Das Arbeitsgericht Ludwigshafen – Auswärtige Kammern Landau – hat durch Urteil vom 02.07.2003 – 5 Ca 430/03 – auf Unwirksamkeit der Änderungskündigung vom 28.02.2003 erkannt und zur Weiterbeschäftigung als Drucker verurteilt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die streitbefangene Kündigung über § 15 Abs. 1 u. 2 KSchG zu rechtfertigen, scheide wegen des Ausspruchs einer ordentlichen Kündigung aus. Da die Beklagte weder ihren Betrieb noch einen bzw. Betriebsteil stillgelegt habe, könne die Kündigung auch nicht über § 15 Abs. 4 u. 5 KSchG gerechtfertigt werden. Der Auffassung der Beklagten, wonach in vergleichbaren Fällen der Sonderkündigungsschutz für Funktionsträger aufgrund einer vorzunehmenden teleologischen Reduktion des § 15 KSchG entfiele, sei nicht zu folgen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG seien ordentliche Änderungskündigungen eines über § 15 KSchG geschützten Arbeitnehmers weder als Einzelmaßnahme noch als sogenannte Gruppen- oder Änderungskündigung zulässig. Sie würden vom Ausnahmekatalog des § 15 Abs. 4 u. 5 KSchG weder im Wortlaut erwähnt, noch fielen sie nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung darunter. Der Schutzzweck des § 15 KSchG rechtfertige es nicht, eine verdeckte Regelungslücke anzunehmen. Der Normtext des § 15 KSchG sei eindeutig.
Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des vorbezeichneten Urteils verwiesen (Bl. 43 bis 46 d. A.).
Gegen das der Beklagten am 15.07.2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 12.08.2003 eingegangene und am 26.08.2003 begründete Berufung (Bl. 60 d. A.).
Die Beklagte vertieft ihre erstinstanzliche Rechtsauffassung und führt weiter aus, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die Anwendbarkeit des § 103 BetrVG im Anwendungsbereich des § 15 KSchG im Falle einer generellen Massenänderungskündigung nicht eröffnet sei, da dies zu einem Wertungswiderspruch führen würde. § 15 Abs. 4 und 5 KSchG könne die gesetzliche Wertung entnommen werden, dass bei generellen Maßnahmen des Arbeitgebers gegenüber allen Mitgliedern des Betriebs keine Schutzbedürftigkeit der Betriebsratsmitglieder bestünde. Insofern stelle die Anwendbarkeit von § 103 BetrVG im vorliegenden Fall ...