Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungskündigung. Sonderkündigungsschutz
Leitsatz (redaktionell)
1. Gegenüber einem Ersatzmitglied des Betriebsrats ist nur eine Änderungskündigung aus wichtigem Grund nach Vorlage der Zustimmung des Betriebsrats oder deren Ersetzung durch gerichtliche Entscheidung zulässig.
2. Die Anwendbarkeit des § 103 BetrVG im Anwendungsbereich des § 15 KSchG ist auch im Fall einer generellen Massenänderungskündigung eröffnet. Darin liegt keine unzulässige Begünstigung der Betriebsratsmitglieder nach § 78 S. 2 BetrVG.
Normenkette
KSchG § 15; BetrVG §§ 103, 78
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 02.07.2003; Aktenzeichen 5 Ca 431/03) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein – Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz – vom02.07.2003 – 5 Ca 431/03 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung des Arbeitgebers.
Die Klägerin steht seit August 1986 als Hilfskraft der Buchbinderei in den Diensten der Beklagten. Ihr durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen beläuft sich auf 1.946,11 EUR. Die Beklagte beschäftigt ca. 175 Arbeitnehmer. Die Klägerin ist Ersatzmitglied des bei der Beklagten gewählten Betriebsrates und nahm in der Vergangenheit ständig an Betriebsratssitzungen teil.
Mit Schreiben vom 28.02.2003 – zugegangen am gleichen Tag – kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.08.2003 und bot der Klägerin in einem zugleich beigefügten Arbeitsvertrag die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu neuen Bedingungen an.
Wegen der weiteren Einzelheiten der beabsichtigten Änderung des Arbeitsverhältnisses wird auf Bl. 8, 9 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Eine Zustimmung des Betriebsrats zu dieser Änderungskündigung lag nicht vor.
Mit ihrer am 21.03.2003 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage hat sich die Klägerin gegen die ausgesprochene Änderungskündigung gewandt.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten,
die Kündigung sei gemäß § 134 BGB nichtig, da eine ordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds zur Änderung der Arbeitsvertragsbedingungen nach § 15 KSchG ausgeschlossen sei.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung vom 28.02.2003 sozial ungerechtfertigt ist.
Die Beklagte hat erstinstanzlich
Klageabweisung
beantragt und die Auffassung vertreten, der Sonderkündigungsschutz nach § 15 KSchG greife vorliegend nicht ein.
Das Arbeitsgericht Ludwigshafen – Auswärtige Kammern Landau – hat durch Urteil vom 02.07.2003 – 5 Ca 431/03 – auf Unwirksamkeit der Änderungskündigung vom 28.02.2003 erkannt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung verstieße gegen § 15 KSchG. Die Beklagte habe weder die verweigerte Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 103 BetrVG durch gerichtliche Entscheidung ersetzen lassen noch eine außerordentliche (fristlose) Kündigung ausgesprochen. Der Auffassung der Beklagten, wonach in vergleichbaren Fällen der Sonderkündigungsschutz für Funktionsträger aufgrund einer vorzunehmenden teleologischen Reduktion des § 15 KSchG entfiele, sei nicht zu folgen. Das Bundesarbeitsgericht habe in seinem Urteil vom 27.09.2001 ausdrücklich klargestellt, dass eine betriebsbedingte Änderungskündigung gegenüber einem Funktionsträger nur unter Beachtung von § 15 KSchG durchgesetzt werden könne.
Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des vorbezeichneten Urteils verwiesen (Bl. 42 bis 45 d. A.).
Gegen das der Beklagten am 15.07.2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 12.08.2003 eingegangene und am 26.08.2003 begründete Berufung.
Die Beklagte vertieft ihre erstinstanzliche Rechtsauffassung und führt weiter aus, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass die Anwendbarkeit des § 103 BetrVG im Anwendungsbereich des § 15 KSchG im Falle einer generellen Massenänderungskündigung nicht eröffnet sei, da dies zu einem Wertungswiderspruch führen würde. § 15 Abs. 4 und 5 KSchG könne die gesetzliche Wertung entnommen werden, dass bei generellen Maßnahmen des Arbeitgebers gegenüber allen Mitgliedern des Betriebs keine Schutzbedürftigkeit der Betriebsratsmitglieder bestünde. Insofern stelle die Anwendbarkeit von § 103 BetrVG im vorliegenden Fall eine unzulässige Begünstigung der Betriebsratsmitglieder nach § 78 Abs. 2 BetrVG dar. Die wirtschaftliche Entwicklung der Beklagten sei seit einem Jahr negativ. Dies habe am 05.12.2001 zur Entscheidung des Gesellschafters geführt, den Betrieb in A-Stadt stillzulegen (Beweis: Zeugnis X.). Zur Vermeidung einer Stilllegung sei ein umfassendes Konzept erarbeitet worden, welches in der Ausweitung der Produktionskapazitäten auf alle Wochenarbeitstage, in der Erweiterung der Produktionskapazitäten zu gleichen Vergütungsbedingungen wie sie während der Werkt...