Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltfortzahlung. Tarifauslegung. Arbeitsentgelt

 

Leitsatz (amtlich)

§ 11 Ziffer 2 des Manteltarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe enthält bezüglich der Entgeltfortzahlung eine dynamische Verweisung.

 

Normenkette

§ 11 Ziffer 2 Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Urteil vom 28.05.1997; Aktenzeichen 10 Ca 159/97)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.06.1999; Aktenzeichen 5 AZR 317/98)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Koblenz, AZ: 10 Ca 159/97, vom 28. Mai 1997 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob nach § 11 Ziff. 2 des Manteltarifvertrages für das Hotel und Gaststättengewerbe Rheinland-Pfalz 100 Prozent Entgeltfortzahlung zu leisten ist.

Die Klägerin ist bei dem Beklagten mit einer Bruttomonatsvergütung von DM 2.000,– beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für das Hotel und Gaststättengewerbe aufgrund beiderseitiger Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien Anwendung. Im November 1996 erkrankte die Klägerin. Der Beklagte kürzte das Entgelt auf der Grundlage der Neuregelung des Entgeltfortzahlungsgesetzes in Höhe von DM 118,08 brutto. § 11 des Manteltarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Rheinland-Pfalz lautet auszugsweise:

Ziff. 2 Krankheit

Bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit sind die gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden. Der fortzuzahlende Lohn im Sinne des § 4 des Entgeltfortzahlungsgesetzes entspricht bei Prozentempfängern der Urlaubsvergütung gem. § 9 Ziff. 5 des Manteltarifvertrages.

Mit der vorliegend am 14. Jan. 1997 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin die Zahlung des Kürzungsbetrages.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten,

die Regelung in § 11 Ziff. 2 des Manteltarifvertrages für das Hotel- und Gaststättengewerbe (MTV) enthielte eine eigenständige Regelung, so daß die Änderung des Entgeltfortzahlungsgesetzes vom 1. Okt. 1996 keine Auswirkung auf den tarifvertraglichen Entgeltfortzahlungsanspruch habe. Mit der genannten Regelung hätten die Tarifvertragsparteien von der durch § 4 Abs. 4 EntgeltfortzG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Höhe der Entgeltfortzahlung bei Prozentempfängern durch eine andere Berechnungsmethode abweichend von der gesetzlichen Regelung zu bestimmen. Da der Manteltarifvertrag am 22. Nov. 1994 abgeschlossen worden sei, sei noch nicht abzusehen gewesen, daß das Entgeltfortzahlungsgesetz zum 1. Okt. 1996 geändert werden würde. Mithin habe es für die Tarifvertragsparteien keinen Grund gegeben, von der ursprünglich geltenden Rechtslage abzuweichen.

Die Klägerin hat demgemäß erstinstanzlich beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin DM 118,08 brutto nebst 4 Prozent Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit 21. Jan. 1997 zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich

Klageabweisung

beantragt.

Der Beklagte hat erstinstanzlich die Rechtsauffassung vertreten,

der Tarifvertrag enthalte eine unmittelbare Gesetzesverweisung, da er ausdrücklich auf die gesetzlichen Bestimmungen „Bezug nehme, die anzuwenden” seien. Die auf Prozentempfänger bezogene Regelung des § 11 Ziff. 2 Satz 1 MTV beinhalte keine abweichende tarifliche Regelung, sondern eine vom Gesetz abweichende Bemessungsgrundlage.

Zur näheren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im übrigen wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 28. Mai 1997 – 10 Ca 159/97– (Bl. 30–34 d.A.).

Gegen das der Klägerin am 4. Aug. 1997 zugestellte Urteil hat diese am 3. Sept. 1997 Berufung eingelegt und diese innerhalb der Berufungsbegründungsfrist am 6. Okt. 1997 begründet.

Die Klägerin führt zweitinstanzlich aus,

eine dynamische Verweisung der einschlägigen Tarifnorm des MTV wäre nur dann anzunehmen, wenn sie sich eindeutig aus dem Tarifvertragstext ergäbe; denn eine solche Verweisung müsse von beiden Tarifvertragsparteien gewollt sein und im Tarifvertrag in der Regel durch eine „Jeweiligkeitsklausel” ihren Ausdruck gefunden haben. Dies gelte insbesondere dann, wenn die Arbeitnehmerposition durch die in Bezug genommene Gesetzesnorm verschlechtert würde.

Es sei davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien nur auf den zum Zeitpunkt des Tarifabschlusses maßgeblichen Gesetzesinhalt hingewiesen haben. Eine andere Betrachtung würde dem tariflichen Schutzgedanken widersprechen.

Bereits der Wortlaut des § 11 MTV ergäbe, daß es sich um eine statische Verweisung handele. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des MTV hätten die gesetzlichen Bestimmungen einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe von 100 Prozent vorgesehen. Diese Regelung hätten die Tarifvertragsparteien anordnen wollen.

Auch der von den Tarifvertragsparteien verwendete Plural („die gesetzlichen Bestimmungen”) entspreche nicht einer Jeweiligkeitsklausel.

Die Auslegungsfrage –statisch oder dynamisch...

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