Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnung. Arbeitsverweigerung. Beleidgungen. Entbehrlichkeit. Grund. wichtiger. Kündigung. ordentliche. Prinzipmaßstab. Außerordentliche Kündigung einer Justizvollzugsbediensteten bei Gewaltandrohung und Arbeitsverweigerung
Leitsatz (redaktionell)
1. Verbale Entgleisungen einer Justizvollzugsbediensteten ("Pimpf", "ihr seid doch alle Arschlöcher"), die trotz Hinweis auf Bestandsgefährdung mehrfache Weigerung, der Weisung des Anstaltsleiters nachzukommen, ihren Dienst im offenen Vollzug zu versehen, Beleidigungen gegenüber der Anstaltsleitung und einer Mitarbeiterin, die Drohung gegenüber diese Mitarbeiterin mit Gewaltanwendung ("schafft sie mir aus den Augen, ich bringe sie um", "ich klatsch sie"), und Tritte gegen Anstaltstüren legen die Vermutung nahe, dass die Arbeitnehmerin unter emotionalem Stress Belastungssituationen, die alltäglich in einer Haftanstalt vorkommen können, ab einem gewissen Grade nicht gewachsen ist; das wiegt im Einzelfall umso schwerer, wenn der eigentliche Anlass als nahezu belanglos anzusehen ist, und dies im Hinblick auf das Prognoseprinzip keinen anderen Schluss zulässt als den, dass sich ein entsprechendes Fehlverhalten auch bei nur geringfügigen Anlässen in emotional angespannten Situationen jederzeit wiederholen kann.
2. Im Hinblick auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit in einer Justizvollzugsanstalt ist ein derartiges Verhalten nicht hinnehmbar.
Normenkette
BGB §§ 626, 314 Abs. 2, § 626 Abs. 1; LPersVG RP § 83 Abs. 3 S. 1; TV-L § 34 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 21.11.2012; Aktenzeichen 10 Ca 1059/12) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 21. November 2012, Az.: 5 Ca 1059/12, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer außerordentlichen Kündigung des beklagten Landes sein Ende gefunden hat, oder aber nicht.
Die 1955 geborene, verheiratete Klägerin, die einen erwachsenen Sohn hat, ist seit 1986 für das beklagte Land im Justizvollzugsdienst tätig. Der Ehemann der Klägerin ist Justizvollzugsbeamter der Vollzugsgeschäftsstelle der JVA Z, in der auch die Klägerin arbeitet.
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum Land Rheinland-Pfalz begann am 01.06.1986. Nach § 2 des Arbeitsvertrages der Parteien vom 02.06.1986, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 3 d. A. Bezug genommen wird, finden auf das Arbeitsverhältnis der BAT und die diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträge Anwendung. Seit einer Änderungsvereinbarung vom 01.08.1990, hinsichtlich deren weiteren Inhalts auf Bl. 4 d. A. Bezug genommen wird, ist die Klägerin mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit für das beklagte Land tätig, zuletzt mit 19,25 Stunden. Dafür erhielt die Klägerin ein monatliches Bruttoentgelt von zuletzt 1.499,10 €.
Unter dem 25.04.2012 hat das beklagte Land das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich gekündigt; die Kündigung ist der Klägerin am 03.05.2012 zugegangen.
Mit Schreiben vom 25.04.2012, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 5, 6 d. A. Bezug genommen wird, hat das beklagte Land durch den Leiter der JVA der Klägerin Hausverbot erteilt und darüber hinaus mit Kündigung vom selben Tag das Arbeitsverhältnis außerordentlich gekündigt; hinsichtlich des Inhalts des Kündigungsschreibens wird auf Bl. 7-12 d. A. Bezug genommen.
Am Morgen des 13.04.2012 rief der Schwiegervater der Klägerin diese an und teilte mit, ihre Schwiegermutter, zu der die Klägerin ein inniges Verhältnis unterhielt, sei ins Krankenhaus eingeliefert worden und schwer erkrankt. Am Nachmittag des 13.04.2012 kam es auf der Station 3, der Frauenabteilung der JVA Z, zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen der Klägerin und der weiteren Mitarbeiterin des beklagten Landes, Frau Y. Diese wird zwischen den Parteien hinsichtlich ihres Anlasses und Ablaufs unterschiedlich geschildert; zumindest ist jedoch in diesem Zusammenhang die Äußerung der Klägerin gefallen, "schaff' sie mir aus den Augen, sonst bring' ich sie um". Im Rahmen dieser Auseinandersetzung wurde auch der vorgesetzte Schichtleiter, Herr X, der für beide Mitarbeiterinnen zuständig war, hinzugezogen; er nahm Teile der Auseinandersetzung wahr und setzte in deren Folge die Mitarbeiterin Frau Y in eine andere Abteilung um.
Hinsichtlich dieser Auseinandersetzung schrieb die Klägerin am 14.04.2012 eine Meldung an die Abteilungsleiterin W. Aufgrund dessen erhielt der Anstaltsleiter V am 16.04.2012 Kenntnis von der Auseinandersetzung. Am 17.04.2012 (Frau Y) und am 19.04.2012 (Herr X) gaben diese Mitarbeiter auf Anforderung Stellungnahmen zum Geschehen vom 13.04.2012 ab, die gleichfalls an den Anstaltsleiter V weitergeleitet wurden.
Am 19.04.2012 verstarb die Schwiegermutter der Klägerin. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin aufgrund ihrer rollierenden Schichteinteilung dienstfrei für...