Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsstilllegung, beabsichtigte. Betriebsübergang. Kündigung. Produktionsbetrieb. Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Von einer geplanten Betriebsstilllegung ist auszugehen, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die auf Tatsachen gestützte, vernünftige betriebswirtschaftliche Prognose gerechtfertigt ist, dass zum Kündigungstermin mit einiger Sicherheit der Eintritt des die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grunds vorliegen wird.

2. Die Überlegungen des Bundesarbeitsgerichts zur Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG gelten auch bei der Berechnung der verlängerten gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB. Mit zunehmender Betriebszugehörigkeit wird der Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses erhöht und einer entsprechenden sozialen Schutzfunktion Genüge getan.

3. Beschäftigungszeiten bei verschiedenen Arbeitgebern sind bei einem Betriebsübergang zusammenzurechnen. Dies gilt auch dann, wenn zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs das Arbeitsverhältnis kurzfristig unterbrochen war, die Arbeitsverhältnisse aber in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen.

4. Eine Unterbrechung von vier Monaten kann als „eine wirtschaftlich unerhebliche Zeitspanne” angesehen werden.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 4; KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 04.11.2010; Aktenzeichen 5 Ca 290/10)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen – Auswärtige Kammern Landau – vom 04.11.2010, Az.: 5 Ca 290/10, teilweise abgeändert und festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 27.04.2010 zum 30.06.2010 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 30.09.2010 fortbestanden hat.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 4/5 und die Beklagte 1/5 zu tragen. Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3 zu tragen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 10.632,95 festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von zwei betriebsbedingten Kündigungen der Beklagten vom 25.03. zum 30.09.2010 und vom 27.04. zum 30.06.2010 wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung sowie damit im Zusammenhang über die Dauer der Kündigungsfrist.

Der Kläger (geb. am 25.07.1961, verheiratet, zwei Kinder) war aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 29.11.2004 ab dem 03.01.2005 im Betrieb der Beklagten in Z. bei Y.-Stadt, X.-Straße, als Arbeitnehmer mit Aufgaben in der Produktion zu einem Bruttomonatsentgelt von EUR 2.126,59 beschäftigt. Die Beklagte beschäftigte zuletzt 42 Arbeitnehmer; ein Betriebsrat bestand nicht.

Der Kläger war zuvor seit dem 08.12.1992 bei der Firma W. U. GmbH mit Sitz in Z., X.-Straße, als Schreiner beschäftigt. Diese Firma, die ursprünglich neben Einbauküchen auch Badmöbel hergestellt hat, wurde im April 1998 in U. T. GmbH (AG Landau HRB 000) geändert. Gegenstand des Unternehmens war die Herstellung und der Vertrieb von Badmöbeln. Am 14.07.2004 hat der damalige Geschäftsführer S. R. einen Insolvenzantrag gestellt. Das Amtsgericht Landau hat mit Beschluss vom 16.07.2004 (AG Landau 000) Rechtsanwalt Q. P. aus N.-Stadt zunächst zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und mit Beschluss vom 18.10.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Kläger soll nach dem bestrittenen Vortrag der Beklagten das Arbeitsverhältnis mit der Insolvenzschuldnerin Ende August 2004 selbst fristlos gekündigt haben, nachdem ihm das Arbeitsentgelt für drei Monate (Juni, Juli, August 2004) nicht gezahlt worden war, damit ihm die Agentur für Arbeit für diesen Zeitraum Insolvenzgeld gewährt.

Die beklagte C. (AG Landau HRB 000), deren Mitgeschäftsführer S. R. war, ist ausweislich der Eintragung im Handelsregister mit Gesellschaftsvertrag vom 11.10.2004 neu errichtet worden. Gegenstand des Unternehmens mit Sitz in Z., X.-Straße, war die Herstellung und der Vertrieb von Badmöbeln. Am 01.07.2010 wurde im Handelsregister (AG Augsburg HRB 000) die Verlegung des Sitzes von Z. nach M.-Stadt eingetragen. Außerdem wurde der Gegenstand des Unternehmens in den Vertrieb von Badmöbeln geändert.

Am 18.03.2010 traf die alleinige Gesellschafterin der Beklagten, die L. K. GmbH, deren Mitgeschäftsführer J. I. ist, folgenden Beschluss:

„Der Betrieb der C. in Z. wird zum 30.06.2010 aus dringenden wirtschaftlichen Gründen stillgelegt. Die Geschäftsführer … werden angewiesen, alle bestehenden Arbeitsverhältnisse … fristgerecht und ordentlich zu kündigen und die Sachanlagen und Lagerbestände … zu verwerten. Sämtliche Mietverträge und ähnliche Verpflichtungen sind ebenfalls zu kündigen”.

Der Betrieb der Beklagten am Standort in Z. wurde zum 30.06.2010 vollständig eingestellt.

Mit Schreiben vom 25.03.2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung mit einer Kündigung...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge