Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbilliges Ermessen beim Direktionsrecht. Versetzung eines langjährigen Mitarbeiters. Keine Arbeitsverweigerung bei unbilligem Direktionsrecht. Rechtmäßigkeit einer AGB-Versetzungsregelung im Vertrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Die beharrliche Weigerung zur Erfüllung arbeitsvertraglicher Haupt -oder Nebenpflichten ist für sich geeignet, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu begründen.
2. Die gerichtlich überprüfbare Entscheidung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer zu versetzen, ist unbillig, wenn dieser - 54 Jahre alt - seit fast sechzehn Jahren an einem Standort arbeitet und für den anderen einen PKW benötigt, der nicht vorhanden ist.
Normenkette
BGB § 315 Abs. 3 S. 1; GewO § 106 S. 1; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1; BGB § 307 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 12.03.2020; Aktenzeichen 7 Ca 416/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach -vom 12. März 2020, Az. 7 Ca 416/19, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 24. Mai 2019 noch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung der Beklagten vom 24. Mai 2019 aufgelöst worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Von den Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) haben die Klägerin 1/4 und die Beklagte 3/4 zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Arbeitsverweigerung und für den Fall des Obsiegens der Klägerin mit dem Kündigungsschutzantrag über deren Weiterbeschäftigung.
Die 1964 geborene, verheiratete Klägerin war seit dem 11. August 2003 im Objekt Kindergarten in R. zunächst bis zum Jahr 2013 für die Firma B.l, sodann nach einem Betriebsübergang für die Beklagte tätig.
Die Beklagte erbringt Leistungen im Bereich der Gebäudereinigung. Im Betrieb der Beklagten sind - Auszubildende ausgenommen - mehr als 10 Arbeitnehmer im Sinn des § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt. Ein Betriebsrat besteht nicht.
Der mit der Firma B. geschlossene Arbeitsvertrag (Auszug Bl. 26 ff. d. A.) sah unter "6. Verletzungsklausel" in seinem Abs. 1 vor:
"Der Arbeitgeber ist berechtigt, jederzeit dem/die Arbeitnehmer/in aus betrieblichen Gründen in ein anders Objekt zu versetzen oder ihm/ihr eine andere Tätigkeit zuzuweisen."
Die Parteien schlossen unter dem 30. September 2013 einen Arbeitsvertrag (Auszug Bl. 24 f. d. A). Dieser lautet unter 2.5.:
"Der Arbeitgeber ist berechtigt, jederzeit den/die Arbeitnehmer/in aus betrieblichen Gründen in ein anderes zumutbares Reinigungsobjekt zu versetzen oder ihm/ihr eine andere zumutbare Tätigkeit zuzuweisen."
Die Vergütung der Klägerin betrug zuletzt 10,30 € brutto/Stunde bei montags bis freitags jeweils 1,5 Stunden Reinigungstätigkeiten.
Rechtsträgerin des Kindergartens und Vertragspartnerin der Beklagten ist die K. gGmbH T..
Bis in das Jahr 2017 waren von der Klägerin in ihrer Arbeitszeit folgender Arbeiten zu erledigen:
- Reinigung Boden Gruppenraum 50 qm, täglich (Mo. bis Fr.)
- Reinigung Boden Förderraum 9 qm, (Mo., Mi., Fr.)
- Reinigung Boden Mehrzweckraum 50 qm, täglich (Mo. bis Fr.)
- Reinigung Boden Flur 40 qm, täglich (Mo. bis Fr.)
- Reinigung Boden Küche 11 qm, täglich (Mo. bis Fr.)
- Reinigung Boden Waschraum 30 qm, täglich (Mo. bis Fr.).
Mit Arbeitsanweisung vom 21. September 2017 (Bl. 46 d. A.) wurde die Klägerin sodann angewiesen, anstelle der Reinigung der Turnhalle (Mehrzweckraum die Toiletten im Eingangsbereich täglich zu reinigen.
Unter dem 27. April 2018 (Bl. 47 d. A.) sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Abmahnung aus. In dieser heißt es:
"Begründung:
Unser Kunde (Leiterin Frau F.) hat sich über die mangelhafte Reinigung beklagt. Am 26.04.2018 war die Objektleiterin Frau M. vor Ort und konnte sich selber von Ihrer Schlechtleistung überzeugen.
Am 24.04. und 25.04.2018 wurden die Waschräume der Kinder gar nicht von Ihnen gereinigt. Die Böden in den Gruppenräumen sind verschmutzt, es wird von Ihnen um auf dem Boden liegendes Spielzeug (Lego-Steine) herum geputzt.
Wir fordern Sie auf, künftig die Ihnen übertragenen Reinigungsarbeiten ordnungsgemäß durchzuführen.
Im Wiederholungsfall werden wir das Arbeitsverhältnis kündigen."
Dieser Abmahnung widersprach die Klägerin mit anwaltlichen Schreiben vom 5. Mai 2018, wegen dessen Inhalts auf Bl. 48 ff. d. A. Bezug genommen wird. Die Beklagte trat dem mit Schreiben vom 7. Mai 2018 (Bl. 51 d. A.) entgegen.
In einem Telefonat des Klägervertreters mit dem Mitarbeiter der Beklagten K. am 15. Mai 2018 wurde der Inhalt der Arbeitsverpflichtung der Klägerin wie folgt festgelegt:
- Reinigung Boden Gruppenraum 50 qm, täglich (Mo. bis Fr.)
- Reinigung Boden Förderraum 9 qm, (Mo., Mi., Fr.)
- Reinigung Boden Flur 40 qm, täglich (Mo. bis Fr.)
- Reinigung Boden Küche 11...