Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderung der Arbeitstätigkeit. Darlegungs- und Beweislast. Vergütung. Bestandsstreitigkeit. Änderungskündigung. Unwirksame betriebsbedingte Änderungskündigung eines Werkstattleiters bei unsubstantiierten Darlegungen der Arbeitgeberin zur Umgestaltung des Arbeitsplatzes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine die Gerichte bindende Unternehmerentscheidung der Arbeitgeberin zur Änderung der Arbeitsbedingungen liegt nur dann vor, wenn deren Umsetzung das bisherige Beschäftigungsbedürfnis für den gekündigten Arbeitnehmer hat entfallen lassen.

2. Will die Arbeitgeberin einen vorhandenen Arbeitsplatz umgestalten, reicht ihre Entscheidung, die Stelle zusätzlich mit dem Anforderungsprofil einer einschlägigen Meisterqualifikation sowie einer betriebswirtschaftlich-kaufmännischen Qualifikation zu versehen, nicht aus, um ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Änderungskündigung im Sinne von § 2 KSchG zu begründen; weist die Unternehmerentscheidung eine Nähe zum Kündigungsentschluss auf und läuft die Kündigung allein darauf hinaus, den Arbeitnehmer bei letztlich unveränderter Aufgabenstellung durch einen anderen (besser geeigneten Arbeitnehmer) zu ersetzen, stellt sie sich als unzulässige Austauschkündigung dar.

3. Beruft sich die Arbeitgeberin bei der Umgestaltung eines Arbeitsplatzes zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten (Änderungs-) Kündigung unter anderem auf eine Neubestimmung des Anforderungsprofils, muss sie darlegen, dass dafür ein betrieblicher Anlass besteht; die Entscheidung zur Stellenprofilierung muss dann im Zusammenhang mit einer organisatorischen Maßnahme stehen, die nach deren Durchführung angesichts eines veränderten Beschäftigtenbedarfs (zum Beispiel in Folge Änderung hinsichtlich des Arbeitsvolumens oder des Inhalts der Arbeitsaufgabe, etwa im Zusammenhang mit einer Neuausrichtung der Geschäftstätigkeit) auch die Anforderungen an den Inhaber des Arbeitsplatzes erfasst.

 

Normenkette

KSchG §§ 2, 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 20.04.2011; Aktenzeichen 4 Ca 2286/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20.04.2011, Az.: 4 Ca 2286/10, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen Änderungskündigung der Beklagten inhaltlich verändert, oder aber unverändert fortbesteht.

Der am 1962 geborene Kläger, verheiratet, zwei unterhaltspflichtige Kinder, ist seit 1988 als Betriebshandwerker, zuletzt als Werkstattleiter bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einem Stundenlohn von 13,48 Euro brutto in A-Stadt beschäftigt. Neben dieser Vergütung und neben einer Vorarbeiterzulage von 212,00 Euro brutto erhielt der Kläger für die Tätigkeit als Werkstattleiter eine "Funktionszulage" von 400,00 Euro brutto (Bl. 50 d.A).

Die Beklagte betreibt ein Unternehmen im Bereich Klinker-, Ziegel- und Feinsteinzeugproduktion und -vertrieb mit Sitz in A-Stadt. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden. Am Betriebsstandort A-Stadt besteht ein Betriebsrat.

Die Instandhaltungsarbeiten im Werk A-Stadt wurden bis in das Jahr 2010 über die Abteilung "Werkstatt" unter der Leitung des Klägers ausgeführt.

Mit Schreiben vom 27. September 2010 (Bl. 6 d.A), dem Kläger am selben Tag zugegangen, hat die Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2011 erklärt. Das Kündigungsschreiben hat im Übrigen, soweit vorliegend von Belang, folgenden Wortlaut:

"Wir bieten Ihnen aber gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis ab dem 01.05.2011 unter Aufrechterhaltung der erworbenen arbeitsrechtlichen Anwartschaften als Schlosser zu den bisherigen Bedingungen und zu ihrer bisherigen Vergütung unter Wegfall der Tätigkeit als Werkstattleiter und unter Fortfall der monatlichen Zulage von 400,00 € brutto fortzusetzen."

Der Kläger hat das Änderungsangebot der Beklagten innerhalb von 3 Wochen ab Zugang der Kündigung unter dem Vorbehalt seiner sozialen Rechtfertigung angenommen (vgl. Bl. 155 d.A.).

Der Kläger hat vorgetragen, für den Ausspruch einer Änderungskündigung seien keine dringenden betrieblichen Erfordernisse gegeben. Die geänderten Arbeitsbedingungen seien für den Kläger nicht zumutbar. Insbesondere die persönlichen Verhältnisse des Klägers seien von der Beklagten nur ungenügend berücksichtigt worden.

Er verfüge über die geforderte weitergehende Qualifikation für die Stelle des Werkstattleiters, denn er sei Feinwerkmechanikermeister und habe eine sechsjährige Berufserfahrung als Werkstattleiter. Im Übrigen seien die von der Beklagten gewünschten technischen und kaufmännischen Qualifikationen für die Tätigkeit als Werkstattleiter nicht notwendig. Zumindest habe die Beklagte dies nicht nachvollziehbar dargelegt, zumal vorliegend die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers zur Änderung des Anforderungsprofils für ...

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