Entscheidungsstichwort (Thema)
Direktionsrecht. Ermessen, billiges. Grenzen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine arbeitgeberseitige Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind.
2. Auf Seiten des Arbeitnehmers sind dabei auch dessen schutzwürdige familiäre Belange (Anschluss an BAG Urteil v. 23.09.2003 – 6 AZR 567/03) zu berücksichtigen. Bei der Verteilung der Arbeitszeit sind insbesondere die Personensorgepflichten nach §§ 1626, 1627 BGB zu beachten, soweit einer vom Arbeitnehmer gewünschten Verteilung der Arbeitszeit nicht betriebliche Belange oder Interessen anderer Arbeitnehmer entgegenstehen.
Normenkette
GewO § 106
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Urteil vom 28.07.2005; Aktenzeichen 5 Ca 1000/05) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 28.07.2005, AZ: 5 Ca 1000/05, wie folgt abgeändert:
- Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, entsprechend der Anordnung der Beklagten vom 26.04.2005 in der Kommissionierung im Zentrallager B.-Stadt zu arbeiten.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer von der Beklagten getroffenen Anordnung.
Der Kläger war bei der Beklagten, die einen Elektrofachgroßhandel betreibt, seit dem 04.06.1992, zunächst als Kraftfahrer, beschäftigt. Seit 1995 wurde er als Angestellter in der Abteilung Logistik im dortigen Bereich Warenannahme eingesetzt. In diesem Arbeitsbereich wird in einer Tagesschicht (06:00 Uhr bis 14.45 Uhr oder 07:45 Uhr bis 16:30 Uhr) gearbeitet.
Mit Schreiben vom 26.04.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er ab dem 02.05.2005 in der Kommissionierung eingesetzt werde. Dort wird in einem Zwei-Schicht-Betrieb gearbeitet (Schicht 1: montags bis donnerstags von 07:45 Uhr bis 16:30 Uhr und freitags von 07:30 Uhr bis 14:30 Uhr; Schicht 2: montags bis donnerstags von 14:15 Uhr bis 23:00 Uhr und freitags von 12:00 Uhr bis 19:00 Uhr). Gegen diese Anordnung richtet sich die vom Kläger am 19.05.2005 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage.
Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, die mit Schreiben der Beklagten vom 26.04.2005 getroffene Anordnung sei nicht vom arbeitgeberseitigen Direktionsrecht gedeckt. Durch den langjährigen ausschließlichen Einsatz im Wareneingang habe sich die von ihm zu erbringende Arbeitsleistung auf diese Tätigkeit konkretisiert, sodass die Beklagte eine Versetzung in die Kommissionierung nur im Wege einer Änderungskündigung herbeiführen könne. Jedenfalls aber verstoße die Maßnahme der Beklagten gegen die Grundsätze billigen Ermessens. Diesbezüglich sei nämlich insbesondere zu berücksichtigen, dass seine als Bankangestellte tätige Ehefrau im Jahr 2004 Opfer eines bewaffneten Banküberfalls gewesen sei, infolge dessen sie seitdem insbesondere in den Abendstunden unter Angstzuständen leide und es daher – wie durch ärztliches Attest vom 28.04.2005 (Bl. 10 d. A.) nachgewiesen – zur Vermeidung von Panikattacken seiner Anwesenheit zu Hause in den Abendstunden bedürfe.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass die Versetzung mit Schreiben vom 26.04.2005 rechtswidrig ist und er nicht verpflichtet ist, in der Kommissionierung im Zentrallager B-Stadt tätig zu sein.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, die streitbefangene Maßnahme stelle keine Versetzung dar. Auch durch die neunjährige Tätigkeit des Klägers im Wareneingang habe sich das Arbeitsverhältnis nicht auf diese Tätigkeit konkretisiert. Eine Änderungskündigung sei daher nicht erforderlich gewesen. Entsprechend ihren Bedürfnissen könne sie den Kläger auch in der Kommissionierung einsetzen. Die kraft Direktionsrechts getroffene Anweisung entspreche auch billigem Ermessen. Sie benötige in der Kommissionierung tüchtige Mitarbeiter wie den Kläger. Der Zwei-Schicht-Betrieb sei bei allen Arbeitnehmern unbeliebt, so dass es schwer sei, Mitarbeiter zu finden, welche bereit seien, in den betreffenden Schichten zu arbeiten. Sie bestreite, dass ausschließlich die Anwesenheit des Klägers zu Hause die Verstärkung von Panikattacken seiner Ehefrau bei Dunkelheit in den Abendstunden verhindern könne. Dem Kläger gehe es vielmehr u. a. auch darum, während der Abendstunden seine Tätigkeit als Fußballtrainer ausüben zu können.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 28.07.2005 abgewiesen. Wegen der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5 bis 8 dieses Urteils (= Bl. 40 bis 43 d. A.) verwiesen.
Gegen das ihm am 09.08.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25.08.2005 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren weiter fort.
Der Kläger beantragt,
das erstinstanzliche Urteil abzuändern und ...