Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftungsbeschränkung bei Arbeitsunfall. Unbegründete Klage des Arbeitnehmers auf Schadensersatz und Schmerzensgeld bei unzureichenden Darlegungen zur vorsätzlichen Billigung des Verletzungserfolges durch die Arbeitgeberin und andere Beschäftigte

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei Arbeitsunfällen gemäß §§ 104 und 105 SGB VII sind Ansprüche eines Versicherten auf Ersatz des Personenschadens gegen die Arbeitgeberin oder eine andere im Betrieb tätige versicherte Person grundsätzlich ausgeschlossen; Ausnahmen gelten nur dann, wenn die Unternehmerin oder eine andere im Betrieb tätige Person den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat.

2. Da der Haftungsausschluss gemäß §§ 104 und 105 SGB VII die Arbeitgeberin und Arbeitskollegen von der Haftung wegen Personenschäden freistellen soll, fallen unter diese Personenschäden auch Ansprüche auf Schmerzensgeld.

3. Die Haftungsbeschränkung gemäß §§ 104 und 105 SGB VII entfällt nur dann wegen Vorsatzes, wenn die Arbeitgeberin den Arbeitsunfall gewollt oder für den Fall seines Eintritts gebilligt hat; für die Entsperrung des Haftungsausschlusses genügt es jedoch nicht, dass ein bestimmtes Handeln, das für den Unfall ursächlich war, gewollt und gebilligt wurde, wenn der Unfall selbst nicht gewollt und nicht gebilligt wurde, da sich der Vorsatz der Schädigerin nicht nur die Verletzungshandlung sondern auch den konkreten Verletzungserfolg umfassen muss.

4. Ist der Unfall auf eine vorsätzliche Missachtung von Unfallverhütungsvorschriften zurückzuführen, führt dieser Umstand zwar zur bewussten Fahrlässigkeit, rechtfertigt aber nicht die Annahme eines bedingten Vorsatzes.

 

Normenkette

SGB VII §§ 104-105; BGB § 253 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 611 Abs. 1, § 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 07.11.2013; Aktenzeichen 9 Ca 2032/13)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 7. November 2013, Az. 9 Ca 2032/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schmerzensgeld und Schadensersatz nach einem Arbeitsunfall.

Der 1953 geborene Kläger war seit 01.06.2006 bei der Beklagten als Produktionsmitarbeiter beschäftigt. Am 03.07.2006 erlitt er bei seiner Arbeit an einer Punktschweißanlage einen Arbeitsunfall, den die zuständige Berufsgenossenschaft anerkannt hat. Der Kläger erlitt schwere Quetschverletzungen an beiden Händen.

Der Kläger nahm zunächst die Herstellerin der Maschine auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz vor dem Landgericht D-Stadt (Az. 1 O 94/08) in Anspruch. Mit Schriftsatz vom 26.08.2008 verkündete er der Beklagten den Streit, die dem Rechtsstreit auf seiner Seite beigetreten ist. Am 31.07.2012 schloss er mit der Herstellerin vor dem Oberlandesgericht Hamm (Az. 21 U 74/10) einen gerichtlich protokollierten Vergleich. Die Herstellerin verpflichtete sich, ihm ohne Anerkennung einer Rechtspflicht € 25.000,00 zur Abgeltung sämtlicher gegen sie gerichteter Ansprüche aus dem Unfall zu zahlen. Außerdem wurde festgehalten, dass etwaige Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte (dort: Streithelferin) vom Vergleich nicht berührt werden.

Mit der vorliegenden Klage vom 29.05.2013 begehrt der Kläger von der Beklagten die Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz. Er macht geltend, die Beklagte hafte neben der Herstellerin für weitere Schmerzensgeldansprüche. Wegen bedingten Vorsatzes greife der Haftungsausschluss nach §§ 104, 105 SGB VII nicht.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 07.11.2013 (dort Seite 2-8) Bezug genommen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihm ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.07.2006 zu zahlen,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die auf den Unfall an der Punktschweißanlage vom 03.07.2006 zurückzuführen sind, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 07.11.2013 abgewiesen und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, die Beklagte sei aufgrund der Haftungsprivilegierung des Arbeitgebers für Personenschäden bei Arbeitsunfällen nach §§ 104, 105 SGB VII nicht zur Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz verpflichtet. Entgegen der Ansicht des Klägers habe die Beklagte den Eintritt des Arbeitsunfalls vom 03.07.2006 und die hierdurch entstandenen Unfallfolgen nicht billigend in Kauf genommen. Der Kläger sei unstreitig von Arbeitnehmern der Beklagten am Arbeitsplatz in die Maschinenbedienung eingearbeitet wo...

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