Entscheidungsstichwort (Thema)

Probezeit. Unangemessenheit. Vertragsstrafe. Vertragsstrafe wegen Nichteinhaltung der Kündigungsfrist des Arbeitnehmers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligten. Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete oder billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung der rechtlich anzuerkennenden Interessen der Vertragspartner voraus. Es bedarf einer umfassenden Würdigung der beiden Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben.

2. Eine rechtsunwirksame Vertragsstrafenvereinbarung in einem Formulararbeitsvertrag erfährt keine im Wege einer sog. geltungserhaltenden Reduktion zu erreichende „Wiederbelebung”. Die in § 307 BGB enthaltene Rechtsfolge kann nur vermieden werden, wenn die Vertragsstrafenabrede für die Probezeit mit ihren kurzen Kündigungsmöglichkeiten (vorliegend 14 Tage) mit einer geringeren Vertragsstrafe als einem Monatsgehalt belegt wird.

 

Normenkette

BGB § 307 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Urteil vom 23.06.2006; Aktenzeichen 2 Ca 2914/05)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 23.06.2006 – 2 Ca 2914/05 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob die als examiniertes Fachpersonal (Kinderkrankenschwester) aufgrund des unter dem 21.05.2004 geschlossenen Arbeitsvertrages beschäftigte Beklagte zur Zahlung einer Vertragsstrafe und Schadensersatz wegen Nichteinhaltung der Kündigungsfrist verpflichtet ist.

Der zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossene Arbeitsvertrag enthält in § 2 folgende Regelung:

§ 2 Probezeit/Kündigungsfristen

1. …

2. Nach Ablauf der Probezeit gilt die eine Kündigungsfristen von 6 Wochen

zum Quartalsende.

und in § 10 folgende Regelung:

§ 10 Vertragsstrafe

1. Die/der Arbeitnehmer(in) verpflichtet sich, eine Vertragsstrafe in Höhe einer regelmäßigen Bruttomonatsvergütung (ohne Überstunden- oder sonst. Zuschläge) zu zahlen, wenn sie/er das Arbeitsverhältnis rechtswidrig nicht aufnimmt oder vertragswidrig vorzeitig beendet. Das gleiche gilt, wenn das Arbeitsverhältnis durch außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber beendet wird, wenn die/der Arbeitnehmer/in) einen wichtigen Grund für diese Kündigung gesetzt hat.

2. Der Arbeitgeber ist berechtigt, einen weitergehenden Schadensersatzanspruch geltend zu machen.

….

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 02.06.2005 ihr mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis 4 Wochen vor Ende des Kalendermonats.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen,

wegen Nichteinhaltung der arbeitsvertraglich vereinbarten Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Quartalsende sei die Beklagte zur Zahlung der Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalts von 1.750,00 EUR verpflichtet. Außerdem sei die Beklagte zum Ersatz von Mehrkosten verpflichtet, die dadurch entstanden seien, dass die Klägerin eine Ersatzkraft seitens einer Zeitarbeitsfirma für die Zeit vom 29.06.2005 bis 30.07.2005 beschäftigt habe. Auch müsse die Beklagte Stornokosten in Höhe von 405,08 EUR tragen, welche der Klägerin dadurch entstanden seien, dass diese einen für die Zeit ab 22.07. bis 06.08.2005 gebuchten Urlaub habe stornieren müssen; sie habe eine Ersatzarbeitskraft im Hinblick auf die kurze Einarbeitungszeit noch nicht ohne Aufsicht alleine zurücklassen können.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 3.710,51 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% Punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich

Klageabweisung

beantragt und erwidert,

die arbeitsvertragliche Vertragsstrafenvereinbarung sei im Hinblick auf §§ 309 Nr. 5 b BGB und 307 Abs. 1 S. 1 BGB rechtsunwirksam. Außerdem könne die Vertragsstrafe nicht kumulativ neben den weiter erhobenen Schadensersatzansprüchen geltend gemacht werden. Der Schadensersatzanspruch bezüglich einer Ersatzkraft sei nicht gegeben, da die Klägerin gegen ihre Pflicht zur Schadensminderung verstoßen habe. Sie habe erst verspätet in der zweiten Junihälfte 2005 einen Vermittlungsauftrag gegenüber der Bundesagentur für Arbeit gegeben und zwar für eine Stellenbesetzung erst ab August 2005. Ein Schadensersatzanspruch hinsichtlich der geltend gemachten Stornokosten entfiele wegen mangelnder Kausalität.

Das Arbeitsgericht Koblenz hat durch das Urteil vom 23.06.2006 – 2 Ca 2914/05 das Klagebegehren der Klägerin abgewiesen. Bezogen auf die formularmäßig vereinbarte Vertragsstrafe ergäbe sich deren von Anfang an erfolgende Unwirksamkeit aus § 307 Abs. 1 S. 1 BGB weg...

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