Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung. Arbeitnehmer. Handelsvertreter. Bestandsstreitigkeit: Kündigung v. 24.09.2010, Sonstiges: Zeugnis
Leitsatz (amtlich)
Die Immobilienberaterin einer Bausparkasse steht in keinem Arbeitsverhältnis zu ihrem Vertragspartner, wenn sie im Wesentlichen frei ihre Arbeitszeit bestimmen und ihre Tätigkeit gestalten kann.
Normenkette
BGB § 611; HGB §§ 84, 86 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Urteil vom 01.07.2011; Aktenzeichen 8 Ca 1757/10) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 01.07.2011, Az. 8 Ca 1757/10, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen einer Kündigungsschutzklage vorrangig über die Frage, ob ihr Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis oder als freies Handelsvertreterverhältnis einzuordnen ist.
Die 1969 geborene, verheiratete und 2 Kindern zum Unterhalt verpflichtete Klägerin ist seit dem 01.01.2008 bei der Beklagten als Immobilienberaterin tätig. Die Beklagte ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in Z und Geschäftsgebiet in Rheinland-Pfalz. Sie beschäftigt derzeit ungefähr 290 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Innendienst sowie ungefähr 240 selbständige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Außendienst.
Der schriftliche Vertrag der Parteien 31.10.2007 / 03.01.2008 ist als Handelsvertreter-Vertrag überschrieben und beinhaltet folgende Regelungen:
„I. Aufgaben des Handelsvertreters
§ 1
Der Handelsvertreter wird für die Bausparkasse gemäß § 84 Abs. 1 HGB hauptberuflich tätig. Er ist in der Ausgestaltung seiner Tätigkeit und in der Bestimmung seiner Arbeitszeit frei. Ein Angestelltenverhältnis wird durch diesen Vertrag nicht begründet.
Der Handelsvertreter ist für die ordnungsgemäße Anmeldung seines selbstständigen Handelsgewerbes und die Erfüllung seiner daraus resultierenden steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen selbst verantwortlich. Er wird seine Altersversorgung und seinen Versicherungsschutz nach eigenem Ermessen regeln. Krankheit und Urlaub sowie deren voraussichtliche Dauer zeigt er der Bausparkasse an.
Der Handelsvertreter vermittelt (in der maklerüblichen Vermittlungs- und Nachweistätigkeit) im Namen und Auftrag der L-GmbH… auf der Grundlage der in den Maklerverträgen getroffenen Vereinbarungen den Abschluss von Verträgen über bebaute und unbebaute Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte, Wohnräume und gewerbliche Räume.
Zu diesem Zweck betreibt er eine planmäßige und intensive Akquisition. Hierbei bemüht er sich darum, den Alleinauftrag zu erhalten.
Außerdem kann der Handelsvertreter Bausparverträge oder sie im Namen und für Rechnung der Bausparkasse aufgrund einer besonderen Bevollmächtigung abschließen.
(…)
Der Handelsvertreter hat seine Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu führen. Er verpflichtet sich, mit dem zuständigen Bezirksdirektor, dessen weiteren Mitarbeitern sowie den dort eingesetzten Handelsvertretern eng zusammenzuarbeiten. Werbemaßnahmen sind mit dem Bezirksdirektor und der Bausparkasse abzustimmen.
Der Handelsvertreter bedient sich nur der von L-GmbH zur Verfügung gestellten Maklerverträge und Formulare.
(…)
§ 2
Der Handelsvertreter firmiert im Geschäftsverkehr wie folgt:
xxx
(Vorname, Zuname)
L-Immobilienberater der L- GmbH,
xxx
(Anschrift)
(…)
§ 3
Der Handelsvertreter wird in der Regel mit den Immobilien – sowie den Bausparinteressenten und Bausparern mündlich verhandeln. Immobilien-Verkaufsaufträge gibt der Handelsvertreter unmittelbar und unverzüglich an den L-Bezirksdirektor weiter. (…)
Die Bausparkasse ist berechtigt, Durchschriften der geschäftlichenKorrespondenz mit Immobilien- und Bausparinteressenten, Bausparern und Kooperationspartnern zu verlangen.
§ 5
Während der Vertragsdauer darf der Handelsvertreter keinen Wettbewerb und keine Tätigkeit zum Nachteil der Bausparkasse und der L-GmbH sowie deren abhängigen Gesellschaften bzw. Unternehmen ausüben und nicht – auch nicht mittelbar – begünstigen. (…)
III. Provisionen
§ 7
Der Handelsvertreter erhält Provisionen nach den Provisionsrichtlinien der Bausparkasse. (…)
§ 9
(1) Zur Abgeltung seiner Kosten erhält der Handelsvertreter ein Fixum. (…)
Die Beklagte führt für die Klägerin ein Provisionskonto, auf dem regelmäßig die vereinbarten Provisionsvorauszahlungen in Abzug gebracht und die von der Klägerin erwirtschafteten Provisionen gutgeschrieben werden. Die Klägerin erhielt zuletzt ein monatliches Fixum von 1.161,– EUR sowie monatliche Provisionsvorauszahlungen von 1.339,– EUR. Ihrem Provisionskonto wurden durchschnittlich ca. 5.000,– EUR im Monat gutgeschrieben.
Die Beklagte hat für den Kunden-, Interessenten- und Publikumsverkehr in Y ein Büro angemietet. Der regelmäßige Betrieb dieses Büros wird durch die Vertriebsassistentin Frau X organisiert und gewährleistet. In dem Büro stand der Klägerin ein Arbeitsplatz zur Verfügung.
Am 12.01.2010 führte die Beklagte in W einen Neujahrsempfang mit einer zuvor angekündigten Dauer von 3 Stunden durch. S...