Entscheidungsstichwort (Thema)

Formularklausel zur Verpflichtung eines Arbeitnehmers zur Rückzahlung der vom Arbeitgeber finanzierten Kosten seiner Weiterbildung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Formularklausel, die den Arbeitnehmer zur Rückzahlung der vom Arbeitgeber finanzierten Kosten seiner Weiterbildung verpflichtet, wenn er während der Weiterbildungszeit aus seinem Verschulden oder "auf eigenen Wunsch" aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB, weil hiervon auch alle Fälle einer unverschuldeten Eigenkündigung aus personenbedingten Gründen erfasst werden.

 

Normenkette

AVR § 10a; BGB § 305 Abs. 1 S. 1, §§ 306, 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1; GG Art. 12 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Entscheidung vom 25.01.2023; Aktenzeichen 4 Ca 552/22)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 25.01.2023 - 4 Ca 552/22 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Fortbildungskosten.

Die Beklagte war aufgrund Arbeitsvertrags vom 2. März 2020 (Bl. 6 f. d. A.) seit dem 1. Oktober 2020 bei der Klägerin als Hygienefachkraft beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien gelten für das Arbeitsverhältnis die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes" (AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung. In § 10a AVR ist Folgendes geregelt:

"§ 10a Fort- und Weiterbildung

(1) Wird ein Mitarbeiter auf Veranlassung und im Rahmen der Qualitätssicherung oder des Personalbedarfs des Dienstgebers fort- oder weitergebildet, werden, sofern keine Ansprüche gegen andere Kostenträger bestehen, vom Dienstgeber

a) dem Mitarbeiter, soweit er freigestellt werden muss, für die notwendige Fort- oder Weiterbildungszeit die bisherigen Dienstbezüge (Abschnitt II der Anlage 1) fortgezahlt und

b) die Kosten der Fort- oder Weiterbildung getragen.

(2) Der Mitarbeiter ist verpflichtet, dem Dienstgeber die Aufwendungen für eine Fort- oder Weiterbildung im Sinne des Absatzes 1 zu ersetzen, wenn das Dienstverhältnis auf Wunsch des Mitarbeiters oder aus einem von ihm zu vertretenden Grunde endet. Für jeden vollen Monat der Beschäftigung nach dem Ende der Fort- oder Weiterbildung werden 1/36 des Aufwendungsbetrages erlassen.

Eine Rückzahlungsverpflichtung besteht nicht, wenn die Mitarbeiterin wegen Schwangerschaft oder wegen Niederkunft in den letzten drei Monaten gekündigt oder einen Auflösungsvertrag geschlossen hat.

In besonders gelagerten Fällen kann von der Rückzahlungsregelung zugunsten des Mitarbeiters abgewichen werden."

Unter dem 17. Juni 2020 wurde zwischen den Parteien folgende Rückzahlungsvereinbarung getroffen (Bl. 24 f. d. A.):

"1.

Die Mitarbeiterin wird an der Weiterbildung "Fachkraft für Klinikhygiene" teilnehmen. Die Weiterbildung wird in Stuttgart durchgeführt.

2.

Die Fortbildung dauert vom Jan. 2021 bis zum Dez. 22. Das Klinikum übernimmt die Teilnahmegebühren für diese Weiterbildung in Höhe von 7.900,00 €. Des Weiteren übernimmt das Klinikum die Fortzahlung der Vergütung für den Weiterbildungszeitraum vom 90 Tagen. Für diesen Zeitraum wird die Mitarbeiterin vom Dienst freigestellt.

3.

Die Mitarbeiterin verpflichtet sich, sowohl die Weiterbildungskosten (bestehend aus den Teilnahmegebühren, den Fahrt- und Übernachtungskosten) als auch die durch das Klinikum geleistete Vergütungsfortzahlung (bestehend aus dem Nettoentgelt, den Steuerabzügen sowie den Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung) in Höhe von 14.782,11 € zurückzuzahlen, wenn sie während der Weiterbildungszeit aus ihrem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus den Diensten des Klinikums ausscheidet.

Die vorgenannte Rückzahlungspflicht besteht auch dann, wenn die Weiterbildung aus ihrem Verschulden oder ohne Einverständnis des Klinikums auf eigenen Wunsch entweder unter- oder abgebrochen wird.

4.

Die Mitarbeiterin verpflichtet sich zur Rückzahlung der Weiterbildungskosten sowie der Kosten für die Vergütungsfortzahlung, wenn sie vor Ablauf von drei Jahren nach Abschluss der Weiterbildungsmaßnahme aus eigenem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus den Diensten des Klinikums ausscheidet.

5.

Für jeden vollen Monat der Beschäftigung nach dem Ende der Fort- und Weiterbildung werden 1/36 des Gesamtaufwendungsbetrages erlassen. Demgemäß besteht nach Ablauf von drei Jahren nach Ende der Fort- und Weiterbildungsmaßnahme kein Rückzahlungsanspruch des Klinikums mehr."

In den Zeiträumen vom 11. Januar bis 19. Februar 2021 (30 Arbeitstage), 15. bis 26. März 2021 (10 Arbeitstage), 12. bis 16. April 2021 (5 Arbeitstage) und 7. bis 11. Juni 2021 (5 Arbeitstage) wurde die Beklagte von der Klägerin zur Teilnahme an der Fortbildung unter Fortzahlung der Vergütung für diese Abwesenheitszeiten (= insgesamt 50 Arbeitstage) freigestellt; hinsichtlich der Höhe der Vergütung der Beklagten wird auf die vorgelegten Verdienstabrechnungen für die Monate Januar bis Juni 2021 (Bl. 160 - 166 d. A.) verwiesen.

Die Beklag...

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