Entscheidungsstichwort (Thema)
Direktionsrecht. Konkretisierung. Versetzung. Zustimmung. Zustimmungsbedürftigkeit der Versetzung eines Arbeitnehmers
Leitsatz (redaktionell)
Der Entzug der Funktion des Anlagenführer-Vertreters und die damit verbundene Einteilung zur Pool-Tätigkeit stellt eine Versetzung i.S. von § 99 Abs. 1 BetrVG i.V. mit § 95 Abs. 3 BetrVG dar und ist ohne Zustimmung des Betriebsrats nicht wirksam.
Normenkette
BetrVG § 95 Abs. 3, § 99 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 11.07.2012; Aktenzeichen 4 Ca 424/12) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 11.07.2012 - 4 Ca 424/12 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Anlagenführer-Vertreter in der Abteilung Chargier-Betrieb zu beschäftigen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten bezogen auf den Inhalt der Tätigkeit über die vertragsgemäße Beschäftigung des Klägers sowie die richtige tarifliche Eingruppierung des Klägers.
Der am 14.01.1955 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 02.11.1988 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigt und hat zuletzt eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung in Höhe von 3.500,00 EUR erzielt.
Im Schreiben vom 31.10.1988 (vgl. Blatt 45 d. A.) hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten im Zusammenhang mit der Einstellung des Klägers diesem gegenüber - soweit hier von Interesse - das Folgende erklärt:
...
Wir sind bereit, Sie ab 02.11.1988 als Chemiearbeiter im 3-Schichtbetrieb einzustellen. Ihr Arbeitseinsatz erfolgt im gesamten Produktionsbereich. Wir behalten uns vor, sollte das Firmeninteresse es erfordern, Sie auch zu Arbeiten in anderen Abteilungen einzusetzen. Sie werden nach der Entgeltgruppe E I unseres Entgelt-Rahmentarifvertrages eingestuft.
...
Auf dem vorgenannten Schreiben hat der Kläger sein Einverständnis mit der zitierten Regelung erklärt.
In der Folgezeit hat die Beklagte den Kläger als Produktionsmitarbeiter in einer von drei Schichten in ihrem Chargier-Betrieb eingesetzt. In der Schicht des Klägers hat die Beklagte damals Herrn T. als Anlagenführer und Herrn E. als dessen Vertreter eingesetzt.
Im Jahr 2005 hat die Beklagte in ihrem Chargier-Betrieb Veränderungen vorgenommen.
Zum einen hat die Beklagte aus der Schicht des Klägers Herrn T. herausgenommen und schichtübergreifend zum Schichtkoordinator bestimmt, dessen bisherigen Vertreter Herrn E. zum Anlagenführer der Schicht des Klägers befördert sowie den Kläger jedenfalls mit der Funktion des sogenannten "Anlagenführer-Vertreters" betraut.
Zum anderen hat die Beklagte in ihrem Chargier-Betrieb die Anzahl der Mitarbeiter je Schicht auf vier Mitarbeiter (einschließlich Anlagenführer und Vertreter) reduziert und eine sogenannte "Pool-Tätigkeit" eingeführt. Letzteres bedeutet, dass die weiteren zwei Produktionsmitarbeiter einer jeden Schicht, also nicht der Anlagenführer und nicht dessen Vertreter, im Wochenwechsel bei geringerem Arbeitsaufkommen im Chargier-Betrieb in anderen Abteilungen eingesetzt werden können.
In der Folgezeit hat die Beklagte den Kläger auch tatsächlich in der Funktion eines Anlagenführer-Vertreters aufgestellt, damit aus der Pool-Tätigkeit herausgenommen und hat der Kläger in Vertretungsfällen (zumindest auch) den Anlagenführer seiner Schicht, Herrn E., vertreten.
Im Jahr 2008 hat Herr T. dem Kläger mitgeteilt, ihn zukünftig nicht mehr als Anlagenführer-Vertreter aufstellen zu wollen, sondern (nur noch) als (einfachen) Produktionsmitarbeiter mit Pool-Tätigkeit einsetzen zu wollen. Nach Gesprächen mit dem Werksleiter der Beklagten Herrn R. und dem Betriebsrat der Beklagten, hat die Beklagte den Kläger in der Folgezeit weiter als Anlagenführer-Vertreter aufgestellt, damit weiterhin aus der Pool-Tätigkeit herausgenommen und hat der Kläger in Vertretungsfällen den Anlagenführer seiner Schicht, Herrn E., vertreten und zwar im Jahr 2008 insgesamt 163,75 Stunden, mithin über vier Wochen, im Jahr 2009 insgesamt 168,25 Stunden, mithin fast viereinhalb Wochen sowie im Jahr 2010 insgesamt 359,00 Stunden, mithin über neuneinhalb Wochen.
Ihre zwei weiteren Schichten hat die Beklagte jedenfalls bis Ende 2010 mit dem Anlagenführer Herrn M. und dessen Vertreter Herrn R. sowie mit dem Anlagenführer Herrn M. und dem Vertreter Herrn U. sowie dessen Vertreter Herrn K. besetzt. Herr R. hat den Anlagenführer seiner Schicht, Herr M., in seiner Schicht - soweit hier vorgetragen - im Jahr 2008 insgesamt 345,00 Stunden, im Jahr 2009 insgesamt 261,25 Stunden sowie im Jahr 2010 insgesamt 365,5 Stunden vertreten. Herr K. hat den Anlagenführer seiner Schicht, Herr M., und dessen Vertreter, Herr U., in seiner Schicht - soweit hier vorgetragen - im...