Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer in einer JVA tätigen Fachärztin für Psychiatrie wegen einer Suchterkrankung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer in einer JVA tätigen Fachärztin für Psychiatrie wegen einer Suchterkrankung kann nur unter Wahrung des das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsprinzips Bestand haben. Sie ist nur dann wirksam, wenn mildere Mittel zur Erreichung künftiger Vertragstreue nicht gegeben sind.
2. Die Kündigung setzt auch eine negative Gesundheitsprognose voraus, d.h. dass aufgrund objektiver Tatsachen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung damit zu rechnen ist, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft seinem Arbeitsplatz krankheitsbedingt in erheblichem Umfang aufgrund häufiger Kurzerkrankungen oder einer lang anhaltenden Erkrankung fern bleiben wird. Ist ein drogen- oder alkoholabhängiger Arbeitnehmer nicht therapiebereit, so ist davon auszugehen, dass er von der Krankheit in absehbarer Zeit nicht geheilt wird.
Normenkette
KSchG § 1; ZPO § 286; KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Trier (Entscheidung vom 19.09.2018; Aktenzeichen 5 Ca 1428/17) |
Tenor
- Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 19.09.2018 - 5 Ca 1428/17 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen, personenbedingten Arbeitgeberkündigung sein Ende gefunden hat, oder aber nicht.
Die 1960 geborene Klägerin ist seit dem 01.10.2010 bei dem beklagten Land als Fachärztin für Psychiatrie und leitende Ärztin der psychiatrischen Abteilung im Justizvollzugskrankenhaus (JVK) der Justizvollzugsanstalt (JVA) beschäftigt. Die Klägerin ist in die Entgeltgruppe Ä 3 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte (TV-Ärzte) eingruppiert. Die monatliche Bruttovergütung betrug zuletzt 8.723,02 EUR.
Am 16.03.2017 meldete sich die Klägerin telefonisch krank. Am 03.04.2017 erschien sie nicht zur Arbeit und meldete sich nicht bei ihrem Arbeitgeber. Der Versuch einer telefonischen Kontaktaufnahme durch die JVA blieb zunächst erfolglos. Mit Schreiben vom 03.04.2017, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 63-65 d. A. Bezug genommen wird, wurde die Klägerin durch den Anstaltsleiter, Herrn P. zu ihrem Fehlen und der Nichtvorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit ab dem 16.03.2017 angehört.
Mit Schreiben vom 28.04.2017 ordnete der Anstaltsleiter eine amtsärztliche Untersuchung der Klägerin an, nachdem ihm bekannt geworden war, dass sich die Klägerin in der Zeit vom 04.04. bis zum 10.04.2017 in stationärer Behandlung auf der psychiatrischen Abteilung des Klinikums M. in T. befunden hatte. Das Schreiben enthält folgende Beschreibung des Untersuchungsauftrags:
"Ich bitte um Begutachtung von Fr. Dr. A. zur Fragestellung, ob sie als Fachärztin für Psychiatrie in der Lage ist, weiterhin ihre arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit auszuüben, vor dem Hintergrund des hier untergebrachten Klientels (Gewaltstraftäter mit zum Teil lebenslangen Freiheitsstrafen, Gefangene mit Suchtproblematiken etc. pp.)."
Hinsichtlich des weiteren Inhaltes des Schreibens wird auf Bl. 68, 69 d. A. Bezug genommen.
Mit weiterem Schreiben vom 14.06.2017 erweiterte der Anstaltsleiter den Auftrag an das Gesundheitsamt. Das Schreiben hat u. a. folgenden Wortlaut:
"... mit Schreiben vom 28. April 2017 habe ich um eine amtsärztliche Untersuchung der hiesigen Beschäftigten Frau Dr. A. ersucht. Ein Untersuchungstermin konnte bis dato in der Person von Frau A. liegende Gründe nicht durchgeführt werden. Frau Dr. A. hat in einem Telefonat am 12.06.2017 gegenüber dem hiesigen Anwaltsleiter P. angegeben, dass sie unter einer "schweren Depression" gelitten habe. Es sei auch richtig, dass ein Polizeieinsatz zur Aufnahme in der Psychiatrie in T. geführt habe. Insoweit darf ich auf den anlagebenannten Vermerk vom 12.06.2017 Bezug nehmen.
Ausgehend dieser neuen Faktenlage erweitere ich den bestehenden Untersuchungsauftrag dahingehend, ob Frau Dr. A. im Falle einer allgemein festgestellten Arbeitsfähigkeit in der Lage ist, die Aufgaben einer leitenden Ärztin auf der psychiatrischen Abteilung des Justizvollzugskrankenhauses wahrzunehmen."
Hinsichtlich des weiteren Inhalts dieses Schreibens wird auf Bl. 70, 71 d. A. Bezug genommen.
In der Folgezeit sagte die Klägerin in den Monaten Mai und Juni 2017 zahlreiche zunächst zwischen dem Gesundheitsamt und ihr vereinbarte Untersuchungstermine jeweils kurzfristig ab.
In einem Telefonat am 12.06.2017 mit dem Leiter der JVA, Herrn P., erklärte die Klägerin, dass sie unter einer "schweren Depression" gelitten habe. Sie habe sich nicht gemeldet, da sie nur "rumgesessen habe, ohne irgendetwas machen zu können". Es sei richtig, dass ein Polizeieinsatz zur Aufnahme in der Psychiatrie in T. geführt habe. Die Polizei sei von ihrer Mutter, die sich Sorgen um sie ge...