Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsplatzbedingungen. Dauererkrankung. Kündigung, krankheitsbedingte. krankheitsbedingte Kündigung. negative Gesundheitsprognose, wenn AN in Aussicht stellt, bei Änderung der Bedingungen am Arbeitsplatz wieder arbeitsfähig zu werden
Leitsatz (redaktionell)
1. Von einer zur Kündigung berechtigenden lang andauernden Erkrankung ist auszugehen, wenn der Arbeitnehmer etwa eineinhalb Jahre arbeitsunfähig und ein Ende der Erkrankung nicht abzusehen ist oder wenn in den nächsten zwei Jahren nicht mit einer Prognose zu rechnen ist, die auf eine Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers schließen lässt.
2. Sind dem Arbeitnehmer Krankheitsbefund und vermutliche Entwicklung selbst nicht hinreichend bekannt, genügt er seiner Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er die Behauptung des Arbeitgebers bestreitet, vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten die gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbindet.
3. Eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers liegt vor, wenn die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zu vermeidbaren Störungen im Betriebsablauf führt. Die Erheblichkeit der betrieblichen Beeinträchtigungen bemisst sich dabei in erster Linie nach der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit und der Ungewissheit des Heilungsverlaufs.
Normenkette
KSchG § 1; ZPO § 138
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Urteil vom 26.02.2009; Aktenzeichen 10 Ca 2120/08) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 26.02.2009, AZ: 10 Ca 2120/08, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten gegenüber der Klägerin ausgesprochenen ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung.
Die am 22.05.1965 geborene, verheiratete und einem Kind unterhaltspflichtige Klägerin war seit dem Jahre 1994 bei der Beklagten, bei der regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer tätig sind, zu einem monatlichen Bruttomonatsentgelt von zuletzt durchschnittlich 2.000,00 EUR beschäftigt.
Seit dem 16.06.2006 ist die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 03.03.2008 bezieht sie eine bis Juni 2010 befristete Erwerbsunfähigkeitsrente.
Mit Schreiben vom 29.08.2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.03.2009. Hiergegen hat die Klägerin am 10.09.2008 Kündigungsschutzklage erhoben.
In einem von der Klägerin vorgelegten Attest der sie behandelnden Diplom-Psychologin H. M. vom 25.02.2009 heißt es:
„… Die [Klägerin] befindet sich seit Juni 2006 in meiner verhaltenstherapeutischen Behandlung wegen einer schweren depressiven Episode (…) und einer sozialen Phobie (…) mit Panikattacken.
Die Beschwerden meiner Patientin haben sich im Laufe der Behandlung gebessert, jedoch kann eine Arbeitsfähigkeit an ihrem alten Arbeitsplatz in C-Stadt bei der Firma H. GmbH als Franchisenehmerin von M. D. nur dann wieder eintreten, wenn sich die Bedingungen an ihrem Arbeitsplatz ändern, insbesondere, wenn meine Patientin mit den Bezirksleitern P. und Z. nicht beruflich zusammenarbeiten muß.
Alleine die Nennung der Namen Z. und P. lösen bei meiner Patientin Ängste aus, die ihre Fähigkeit, dort zu arbeiten, verhindern. …”
Eine Klage der Klägerin gegen die Beklagte sowie den Bezirksleiter P. auf Zahlung von Geldentschädigung, Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen Mobbings wurde abgewiesen (Verfahren 10 Ca 2777/07 Arbeitsgericht Koblenz, Urteil vom 28.08.2008; Verfahren 11 Sa 677/08 Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.04.2009).
Mit Bescheid des Kreises O. vom 23.06.2009 wurde rückwirkend ab dem 04.02.2009 eine Schwerbehinderung der Klägerin mit einem Grad der Behinderung von 50 festgestellt.
Die Klägerin hat vorgetragen:
Sie gehe davon aus, dass ihre Arbeitsunfähigkeit Ende 2008 / Anfang 2009 beendet sein werde, ihre Arbeitsfähigkeit jedenfalls nicht mehr lange auf sich werde warten lassen. Dies habe die Zeugin M. geäußert, die sie von der ärztlichen Schweigepflicht entbinde.
Wenn es der Beklagten in der Vergangenheit gelungen sei, ihre betrieblichen Gegebenheiten zu ordnen, so sei davon auszugehen, dass ihr dies auch in Zukunft bis zu ihrer Genesung möglich sei.
Bei der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass ihre Erkrankung durch Mobbing am Arbeitsplatz verursacht worden sei. Insoweit beziehe sie sich auf ihren Vortrag im Parallelverfahren und die dort vorgelegten ärztlichen Atteste. Wenn ein Arbeitnehmer behaupte, dass die Erkrankung auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sei, so treffe den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein derartiger ursächlicher Zusammenhang tatsächlich nicht bestehe. Auch ihre Unterhaltspflichten und der beim Versorgungsamt gestellte Antrag seien zu berücksichtigen.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 29.08.2008 zum 31.03.2009 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte ...