Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung von Arbeitsbedingungen durch Änderungskündigung. Weisungsrecht des Arbeitgebers im Rahmen des Direktionsrechts nach § 306 GewO. Wirksamkeit eines vertraglichen Versetzungsvorbehalts
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Änderungskündigung i.S.d. § 2 Satz 1 und § 4 Satz 2 KSchG ist nur erforderlich, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer geänderte Arbeitsbedingungen anbieten will und dies auf Basis der bestehenden vertraglichen Regelungen nicht zu erreichen vermag.
2. Eine faktische Änderung von vertraglichen Regelungen, die der Arbeitgeber auf der Grundlage des bestehenden Arbeitsvertrags kraft seines Weisungsrechts durchsetzen kann, ist keine Änderung der Arbeitsbedingungen i.S.d. KSchG.
3. Die Bestimmung eines Ortes der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen verhindert regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort. Da sich die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers nicht auf einen Arbeitsort konkretisiert, kann der Arbeitgeber nach § 106 GewO und im Rahmen billigen Ermessens dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zuweisen.
Normenkette
BGB §§ 305, 307; GewO § 106; SGB III § 140; ZPO §§ 156, 533; KSchG § 2 S. 1, § 4 S. 2; BGB § 315
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 27.01.2021; Aktenzeichen 4 Ca 2480/20) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.01.2021, 4 Ca 2480/20, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.
Der am 01.07.1956 geborene, verheiratete und einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Kläger ist bei der Beklagten, beziehungsweise bei deren Rechtsvorgängerin, seit dem Jahr 2000 beschäftigt. Bereits im Jahr 1999 wurde er für diese tätig, die Beschäftigung erfolgte jedoch im Rahmen eines Einsatzes über eine Leiharbeitsfirma.
Die Beklagte führt ein international agierendes Logistikunternehmen. Sie beschäftigt über 200 Mitarbeiter an verschiedenen Standorten in Deutschland. Der Kläger war überwiegend und auch zuletzt in E-Stadt eingesetzt.
Im schriftlichen Arbeitsvertrag, den der Kläger mit der Beklagten am 14.06.2013 abgeschlossen hat, heißt es auszugsweise:
§ 1 Beginn und Art der Tätigkeit
Der Beschäftigte ist als Transportmitarbeiter im Bereich interne Logistik Leverkusen am Standort E-Stadt tätig (...).
Dem Beschäftigten können, ohne dass es einer Kündigung bedarf, andere gleichwertige Tätigkeiten - auch zum Beispiel in einem anderen Vergütungssystem - übertragen werden.
Der Beschäftigte kann an einen anderen zumutbaren Arbeitsplatz mit gleichwertiger Tätigkeit versetzt werden.
Der Beschäftigte kann an einen anderen Betriebsort innerhalb des Unternehmens versetzt werden. Tarifvertragliche Versetzungsmöglichkeiten bleiben hiervon unberührt.
§ 2 Geltung von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen
Auf das Arbeitsverhältnis werden die für den Betrieb räumlich und fachlich geltenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung angewandt (dies sind derzeit die mit der IG-Metall abgeschlossenen Tarifverträge).
Die Beklagte hat mit der IG Metall am 24.01.2013 einen Manteltarifvertrag abgeschlossen. Dessen § 23 lautet:
§ 23 Kündigung
1. (...)
2. in Betrieben mit in der Regel mindestens 20 wahlberechtigten Beschäftigten kann einem Beschäftigten, der das 55., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet hat und dessen Arbeitsverhältnis in dem Unternehmen zu diesem Zeitpunkt mindestens zehn Jahre ununterbrochen bestanden hat, das Arbeitsverhältnis nur noch aus wichtigem Grunde gekündigt werden.
Dies gilt nicht bei (...)
b) Änderungskündigungen zum Zwecke innerbetrieblicher Versetzungen und Versetzungen im Rahmen des Unternehmens beziehungsweise Konzerns, wenn damit keine Veränderung des Wohnsitzes erforderlich wird.
Der Kläger wohnt in A-Stadt. Die Entfernung zum Arbeitsplatz in E-Stadt von dort aus beträgt etwa 36 km. Die Entfernung von A-Stadt nach F-Stadt beträgt 85 km. In der Zeit von Oktober 2010 bis Juli 2012 hat der Kläger bereits am Standort F-Stadtgearbeitet.
Seit Anfang Dezember 2019 ist der Kläger arbeitsunfähig erkrankt.
Mit Schreiben vom 01.04.2020 hörte die Beklagte den Betriebsrat sowie die Schwerbehindertenvertretung zur beabsichtigten Änderungskündigung an. Das Integrationsamt teilte erteilte am 29.05.2020 die Zustimmung zur ordentlichen Änderungskündigung.
Die Beklagte hat am 23.06.2020 eine Änderungskündigung zum 31.12.2020 ausgesprochen, die der Kläger unter Vorbehalt angenommen hat.
Hierin heißt es:
Hiermit kündigen wir das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich fristgerecht unter Einhaltung der für sie maßgeblichen tarifvertraglichen Kündigungsfrist zum nächst möglichen Termin. Dies ist nach unserer Berechnung der 31.12.2020. Zugleich bieten wir Ihnen an, das Arbeitsverhältnis ab dem 1. Januar 2021 wie folgt fortzusetzen:
In Abänderung ihres Arbeitsvertrages vom 14.6.2013 ergibt ...