Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechtigung des Arbeitgebers zur Zuweisung der Fortsetzung der Arbeitstätigkeit eines Arbeitnehmers in der Filiale im Wege des Direktionsrechts

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt i. S.d. § 1 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 2 KSchG, sofern das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist und der Arbeitgeber sich darauf beschränkt hat, derartige Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinzunehmen hat.

 

Normenkette

GewO § 106 S. 1; BGB § 315 Abs. 3; KSchG § 1 Abs. 3, § 2

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 08.02.2023; Aktenzeichen 1 Ca 876/22)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 08.02.2023, Az. 1 Ca 876/22, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 15.11.2014 als Sanitätshausfachverkäuferin zu einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung von zuletzt 2.180 EUR beschäftigt, zunächst - mit Arbeitsvertrag vom 22.10.2014 - befristet für 1 Jahr (bis 14.11.2015) und im nahtlosen Anschluss - mit Vertrag vom 06.11.2015 - ab dem 15.11.2015 unbefristet. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen auf dem Gebiet des Medizinproduktevertriebs, welches sich insbesondere auf die Ausstattung von Laboren, Praxen und anderen medizinischen Einrichtungen spezialisiert hat. Sie ist im Handelsregister C-Stadt eingetragen, hat ihren Sitz in C-Stadt und unterhielt in drei Sanitätshäusern (C-Stadt, L. und X.) einen Ladenverkauf an Privatkunden. In ihrer Filiale L. beschäftigt sie zwei Arbeitnehmer, in der X- Filiale beschäftigte sie die Klägerin sowie zwei weitere Arbeitnehmer.

Am 15.03.2022 fassten die beiden alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer der Beklagten folgenden Beschluss:

"1. Der Standort der Gesellschaft in B-Stadt soll geschlossen werden.

2. Der Mietvertrag über die Geschäftsräume der Gesellschaft im Gesundheitszentrum, Y.straße in B-Stadt soll zum 30.11.2022, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt werden.

3. Die am Standort B-Stadt bestehenden Beschäftigungsverhältnisse sollen mittels Änderungskündigung am Sitz der Gesellschaft in C-Stadt fortgesetzt werden.

4. Die Geschäftsführer werden hiermit angewiesen und ermächtigt, die vorstehenden Beschlüsse umzusetzen und sämtliche Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen, die für den Vollzug der vorstehenden Beschlüsse erforderlich und/oder zweckmäßig sind."

Mit Schreiben vom 05.05.2022 bestätigte der Vermieter der Geschäftsräume der X Filiale deren Kündigung durch die Beklagte vom 25.04. zum 30.11.2022. Mit Schreiben vom 27.06.2022 sprach die Beklagte der Klägerin eine ordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung zum 30.11.2022 aus unter gleichzeitigem Angebot einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab 01.12.2022 in ihrer C-Stadter Filiale. Dieses Angebot nahm die Klägerin mit Schreiben vom 19.07.2022 unter dem Vorbehalt seiner sozialen Rechtfertigung an und erhob noch am selben Tage Kündigungsschutzklage. Die beiden außer ihr in der Filiale Y beschäftigten Arbeitnehmerinnen erhielten ebenfalls eine Änderungskündigung mit dem Angebot, ab 01.12.2022 in C-Stadt weiterzuarbeiten; die eine Kollegin nahm das Änderungsangebot an, die andere beendete das Arbeitsverhältnis zur Beklagten von sich aus.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, die Änderung ihrer Arbeitsbedingungen sei sozial ungerechtfertigt. Es fehle an betriebsbedingten Gründen für die Schließung der Filiale Y. Zum anderen hätte ihr die Beklagte eine Weiterbeschäftigung in L. statt in C-Stadt anbieten müssen, da sie nach L. eine kürzere Anfahrt habe und eine Änderung der Arbeitsbedingungen sie nur so wenig wie möglich belasten dürfe. Mit dem Auto liege die Filiale L. 7 Minuten (7,8 Kilometer) näher an ihrem Wohnort als die Filiale C-Stadt, mit öffentlichen Verkehrsmitteln betrage der Unterschied 28 Minuten. Die Änderung der Arbeitsbedingungen sei mithin unverhältnismäßig.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung vom 27. Juni 2022, zugegangen am 28.06.2022, sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat unter Verweis auf die durch Beschluss vom 15.03.2022 niedergelegte unternehmerische Entscheidung der beiden Gesellschafter-Geschäftsführer vorgetragen, die Änderungskündigung sei aus betriebsbedingten Gründen gerechtfertigt. Sie habe sich aufgrund permanenten Personalmangels am Standort Y entschieden, diesen zu schließen. Immer wieder habe dort Personal aus C-Stadt aushelfen müssen, was indes nur eingeschränkt möglich gewesen sei. Die Öffnungszeiten der Filiale hätten häufig verkürzt werden müssen, weil kein Personal mehr vorhanden gewesen sei...

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