Entscheidungsstichwort (Thema)
Schutz- und Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB. Konsensverfahren und Anspruchsverfahren zum Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit. Auslegung von Willenserklärungen. Schriftformerfordernis für den Antrag nach § 15 Abs. 6 und Abs. 7 BEEG
Leitsatz (redaktionell)
1. Gem. § 241 Abs. 2 BGB ist der Arbeitgeber als Vertragspartei gehalten, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitnehmers so zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen und Belange beider Vertragsparteien nach Treu und Glauben verlangt werden kann.
2. Der Gesetzgeber geht mit der Regelung der §§ 15 und 16 BEEG von einer Verhandlungslösung aus. In einem "Konsensverfahren" soll der Arbeitgeber eine Verringerung der Arbeitszeit einvernehmlich erzielen. Im Gegensatz dazu regelt § 15 Abs. 6 und Abs. 7 BEEG das "Anspruchsverfahren", wenn eine Einigung im "Konsensverfahren" nicht möglich ist.
3. Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist nicht allein der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen. Maßgeblich für die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen beim Abschluss von Verträgen ist aus Gründen des Verkehrsschutzes vielmehr der sogenannte objektive Empfängerhorizont. Danach ist einer Erklärung diejenige Bedeutung beizumessen, die ein objektiver Dritter in der Situation des Erklärungsempfängers verstehen durfte. Danach ist der wirkliche Wille der Vertragsparteien zu erforschen und der Inhalt der Vereinbarung so auszulegen, wie Treu und Glauben es mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen.
4. Da das Gesetz Schriftform vorschreibt, ist der Antrag auf Teilzeit vom Arbeitnehmer eigenhändig durch Namensunterschrift oder notariell beglaubigtem Handzeichen zu unterzeichnen. Ein Telefax genügt nicht. Ein elektronisches Dokument muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein.
Normenkette
BEEG § 15 Abs. 7; BGB § 126 Abs. 1, §§ 133, 145, 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1; BEEG § 15 Abs. 5-6, § 16 Abs. 1; BGB § 125 S. 2, § 126 Abs. 3, § 126a Abs. 1, § 611
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 31.08.2021; Aktenzeichen 3 Ca 864/20) |
Tenor
I.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 31. August 2021, Az. 3 Ca 864/20, wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
II.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung arbeitgeberseitiger Fürsorgepflichten im Zusammenhang mit von der Klägerin beabsichtigter Teilzeitarbeit in der Elternzeit.
Zwischen den Parteien bestand in der Zeit vom 14. April 2014 bis zum 30. September 2019 ein Arbeitsverhältnis als Projektleiterin. Diesem lag ein Anstellungsvertrag vom 4. März 2015 (Blatt 10 ff. der Akte) zugrunde. Das vereinbarte Bruttomonatsgehalt der Klägerin betrug bei einer 40 Stunden-Woche 4.583,33 € brutto.
In der Zeit vom 26. September 2017 bis zum 25. September 2019 befand sich die Klägerin in Elternzeit.
Mit Schreiben vom 25. September 2017 beantragte die Klägerin Elternzeit bis zur Vollendung des 2. Lebensjahres des Kindes. In diesem Schreiben heißt es weiter:
"Nach einer 12-monatigen Auszeit (1.- einschließlich 12. Lebensmonat des Kindes) beabsichtige ich in Elternteilzeit, mit 15-20-Arbeitsstunden/Woche, zurückzukommen.
Diese würde ich beispielsweise in einer 3 - 4-Tage Woche (à 5 Stunden/Tag) gestalten, mit der Option von 1 - 2 Tagen Home Office/Woche."
Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 11. Oktober 2017 (Blatt 19 der Akte) auszugsweise wie folgt:
"Sie haben uns mit Schreiben vom 25. September 2017 mitgeteilt, dass sie unmittelbar im Anschluss an Ihre Mutterschutzzeiten, bis einschließlich des 24. Lebensmonates des Kindes, Elternzeit nehmen möchten. Wir bestätigen Ihnen dies hiermit wunschgemäß.
Den Wunsch auf Reduzierung der Arbeitszeit während der Elternzeit können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bestätigen."
Mit E-Mail vom 17. Juli 2018,13:04 Uhr (Blatt 21 der Akte) an M. S. bat die Klägerin um eine zeitnahe Rückmeldung und dann auch eine Arbeitsbescheinigung, um den Kitaplatz zu sichern. Frau S. antwortete 18. Juli 2018, 9:19 Uhr per E-Mail (Blatt 20 der Akte), dass der Geschäftsführer keine Möglichkeit bei 15 Wochenstunden sehe. Eine Alternative seitens der Beklagten wären wesentlich mehr Stunden.
Die Klägerin antwortete mit E-Mail vom 20. Juli 2018, 9:42 Uhr (Blatt 20 der Akte) wie folgt:
"das ist natürlich sehr schade, dass wir keine gemeinsame Lösung finden und es auch keine Alternativen (evtl. anderer Bereich?!) bei A. gibt.
Ich komme auch gerne persönlich vorbei, um mit dir und Herrn M. einen Einstieg zu besprechen, wenn es die Sache vereinfacht!
Aber wenn A. keinen Bedarf hat, bitte ich um die Darstellung der dringenden betrieblichen Gründe, wesweg...