Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörung. Verdachtskündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Verdacht eines vorsätzlichen Tötungsdeliktes rechtfertigt bei einem Arbeitnehmer im Öffentlichen Dienst eine außerordentliche Verdachtskündigung.
2. Auch in einem solchen Fall ist unabdingbare Wirksamkeitsvoraussetzung für eine außerordentliche Verdachtskündigung die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers.
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Trier (Urteil vom 05.04.2005; Aktenzeichen 3 Ca 2111/04) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 05.04.2005 – 3 Ca 21111/04 – abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17.11.2004 nicht aufgelöst worden ist.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Berechtigung einer von der Beklagten ausgesprochenen außerordentlichen Verdachtskündigung. Der Kläger ist seit Oktober 1985 als Gemeindearbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Aufgrund tariflicher Vorschriften ist er ordentlicher nicht mehr kündbar.
Am 06.11.2004 wurde die Ehefrau des Klägers tot aufgefunden. Der Kläger, welcher in Tatverdacht geriet, ein Tötungsdelikt zum Nachteil seiner Ehefrau begangen zu haben, wurde am 08.11.2004 vorläufig festgenommen und befindet sich seit dieser Zeit in Untersuchungshaft. Am 16.11.2004 gab die Staatsanwaltschaft T. bekannt, der Verdacht habe sich gegen den Kläger erhärtet. Die Beklagte erfuhr hiervon am 17.11.2004 aus der Tageszeitung. Sie sprach darauf hin ohne vorherige Anhörung des Klägers mit Schreiben vom 17.11.2004 die außerordentliche Kündigung aus mit der Begründung, der Kläger stehe unter dringendem Verdacht, ein Tötungsdelikt begangen zu haben. Dieser Verdacht habe sich aufgrund der durchgeführten DNA-Analyse erhärtet.
Die Kündigung ging dem Kläger am 19.11.2004 zu. Hiergegen richtet sich die am 03.12.2004 beim Arbeitsgericht Trier eingegangene Kündigungsschutzklage des Klägers. Nachdem die Problematik der vorherigen Anhörung im Gütetermin erörtert worden war, hat die Beklagte unter dem 23.12.2004 den Kläger schriftlich in der Untersuchungshaft angehört.
Mittlerweile ist gegen den Kläger ein Urteil des Landgerichts T. ergangen, dem zufolge er wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden ist. Das Urteil ist nach Revisionseinlegung durch den Kläger noch nicht rechtskräftig.
Der Kläger hat beantragt,
- es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 17.11.2004, zugestellt nicht vor dem 18.11.2004 nicht aufgelöst worden ist, sondern darüber hinaus fortbesteht,
- die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, eine Anhörung sei unzumutbar und daher entbehrlich.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung liege vor, wenn ein im öffentlichen Dienst Beschäftigter ein vorsätzliches Tötungsdelikt begehe. Dies gelte auch im Falle eines dringenden Tatverdachtes eines vorsätzlichen Tötungsdeliktes oder sogar Mordes. Der dringende Tatverdacht werde hier bestätigt durch die Verdachtsgründe gegen den Kläger, die zum Zeitpunkt der fristlosen Kündigung vorlagen. Sie seien so erdrückend hoch, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Verurteilung des Klägers sprach. Eine vorherige Anhörung des Klägers vor Ausspruch der Kündigung sei nicht erforderlich. Gegen den Kläger sei durch Haftbefehl Untersuchungshaft angeordnet worden, der einer Überprüfung des Haftgrundes vorauszugehen habe. Die Anordnung der Untersuchungshaft dürfe nur erfolgen, wenn unter anderem ein dringender Tatverdacht bestehe, der durch richterliche Entscheidung festzustellen sei. Es ist nicht anzunehmen, dass eine nochmalige Anhörung des Klägers durch die Beklagte neue Gesichtspunkte zu Tage bringen würde, zumal es sich um eine Straftat handele, die sich außerhalb des Bereichs der Beklagten ereignet habe.
Gegen das dem Kläger am 09.05.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 11.05.2005 eingelegte Berufung. Der Kläger hat seine Berufung mit am 04.07.2005 eingegangenem Schriftsatz begründet. Der Kläger bestreitet einen wichtigen Kündigungsgrund, er habe das Tötungsdelikt nicht begangen, im Übrigen sei er nicht ordnungsgemäß angehört worden. Zwar habe im nachhinein die Beklagte versucht den Kläger anzuhören, es könne jedoch die streitbefangene Kündigung nicht mehr wirksam machen. Letztendlich sei der Kläger auch nicht durch die berechtigte Behörde gekündigt worden, Arbeitgeber sei die Verbandsgemeinde K. und nicht die Beklagte.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des arbeitsgerichtlichen Urteils festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 17.11.2004, zugestellt nicht vor dem 18.11.2004 nicht aufgelöst worden ist, sondern darü...