Entscheidungsstichwort (Thema)

Europarecht. Mehrarbeit. Schwerbehinderung. Europarichtlinie und Arbeitszeitgesetz

 

Leitsatz (amtlich)

Die Regelung des § 25 S. 2 Arbeitszeitgesetz ist noch bis zum 31.12.2005 europarechtlich unbedenklich.

 

Normenkette

ArbzG § 25 S. 2; SGB IX § 124

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Urteil vom 07.01.2005; Aktenzeichen 2 Ca 787/04)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.11.2006; Aktenzeichen 9 AZR 176/06)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 07.01.2005 – AZ: 2 Ca 787/04 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision an das Bundesarbeitsgericht wird für die Klägerin zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin beansprucht unter Berufung auf ihre Schwerbehinderteneigenschaft, dass sie die Beklagte als Heimerziehungspflegerin in der Einrichtung Z. in X. täglich nicht mehr als 8 Stunden unter Berücksichtigung der gesetzlichen Ruhezeiten vollschichtig beschäftigt.

Die Klägerin ist seit 01.07.1994 auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages bei der Beklagten beschäftigt und als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 60 anerkannt.

Die Parteien haben im Arbeitsvertrag die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) vereinbart.

Die Klägerin hat ihre Klage im Wesentlichen damit begründet,

dass sie die Freistellung von Mehrarbeit fordere, wie es § 124 SGB IX vorsehe. Der Bereitschaftsdienst sei nach dem Arbeitszeitgesetz als Arbeitszeit zu werten und damit Mehrarbeit, wozu sie als Schwerbehinderte nicht verpflichtet sei. Die Übergangsvorschrift im Arbeitszeitgesetz gelte nicht.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin als Heilerziehungspflegerin in der Einrichtung Z. in X. im Umfang von nicht mehr als 8 Stunden werktäglich unter Berücksichtigung der gesetzlichen Ruhezeiten vollschichtig zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage als unzulässig bzw. unbegründet abzuweisen.

Sie hat dies im Wesentlichen damit begründet,

dass die Klägerin seit 16.02.2004 durchgängig arbeitsunfähig erkrankt sei und der Bereitschaftsdienst nach den Regelungen der AVR der Ruhezeit zugeordnet würde und keine Mehrarbeit darstellen könne. Zudem sei aufgrund § 25 Arbeitszeitgesetz für die Regelung in der AVR eine Frist bis zum 31.12.2005 eingeräumt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass zwar Bereitschaftsdienst grundsätzlich ab 01.01.2004 zur Arbeitszeit gehöre, die Klägerin jedoch im derzeitigen Stadium keine Freistellung erlangen könne, weil § 25 Arbeitszeitgesetz davon ausgehe, dass die bisherigen Regelungen des AVR, die dem Bereitschaftsdienst der Ruhezeit zuordnen würden, bis zum 31.12.2005 wirksam seien, so dass die Klage nicht begründet sei.

Die AVR stellt nach § 7 Abs. 4 Arbeitszeitgesetz in Verbindung mit § 25 Satz 2 Arbeitszeitgesetz eine abweichende Regelung dar, die bis 31.12.2005 weiter Geltung hätten.

Nach Zustellung des Urteils am 30.03.2005 hat die Klägerin am 07.04.2005 Berufung eingelegt, die sodann am 30.05.2005 begründet wurde.

Die Klägerin greift die Entscheidung im Wesentlichen damit an, dass § 25 Arbeitszeitgesetz europarechtswidrig sei und nicht angewendet werden könne. Die Überschreitung der höchstrichterlichen Arbeitszeit sei nur dann möglich, wenn der Arbeitnehmer individuell jeweils ausdrücklich und frei zustimme, während im vorliegenden Falle auf die AVR pauschal im Arbeitsvertrag Bezug genommen sei.

Zwar könne der einzelne in einem Verfahren zwischen Privatpersonen sich nicht auf die Richtlinien in der Form berufen, dass ihm ein Anspruch zustünde, jedoch müssten alle Träger öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten, also auch ein Gericht, dafür sorgen, dass die sich aus der Richtlinie 39/104 ergebenen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten zum Tragen komme.

Das Arbeitsgericht müsse deshalb nach Ablauf der Frist zur Umsetzung der Richtlinie durch den Mitgliedstaat bei der Anwendung von Bestimmungen des nationalen Rechts, die speziell zur Umsetzung dieser Richtlinien entlassen worden seien, diese soweit wie möglich auslegen, um das Ziel der Richtlinien erreichen zu können.

Die Klägerin beantragt,

es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin als Heimerziehungspflegerin in der Einrichtung Z. in X. im Umfang von nicht mehr als 8 Stunden werktäglich unter Berücksichtigung der gesetzlichen Ruhezeiten vollschichtig zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Regelung in § 25 Arbeitszeitgesetz ein Anspruch der Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt verhindere. Die EU-Arbeitszeitrichtlinie ergebe keinen unmittelbaren Anspruch zugunsten der Klägerin, so dass § 25 Arbeitszeitgesetz auch nicht auslegungsfähig sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze, die im Berufungsverfahren zur Akte gereicht wurden nebst deren Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen si...

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