Entscheidungsstichwort (Thema)
Unberechtigte Nutzung einer Tankkarte. Pflicht zur Festlegung der Reihenfolge aufzurechnender Forderungen. Keine Geltung der vertraglichen Ausschlussfrist für vorsätzliches Handeln
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Aufrechnung geht ins Leere, wenn keine Rangfolge der aufzurechnenden Forderungen festgelegt wird.
2. Auf Seiten des Arbeitsgebers besteht ein Schadensersatzanspruch wegen Nutzung der Tankkarte zu privaten Zwecken.
3. Vertragliche Ausschlussfristen gelten nicht für Ansprüche aus unerlaubter Handlung.
Normenkette
BGB §§ 134, 202 Abs. 1, §§ 249, 276 Abs. 3, § 280 Abs. 1 S. 1, § 611a Abs. 2, § 619 a; ZPO § 138 Abs. 2, § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Trier (Entscheidung vom 24.06.2020; Aktenzeichen 5 Ca 709/19) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 24. Juni 2020 - 5 Ca 709/19 - teilweise abgeändert und klarstellend insgesamt wie folgt neu gefasst:
1a)
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.771,27 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Juli 2019 zu zahlen.
1b)
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.120,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Juli 2019 zu zahlen.
2)
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3)
Der Kläger und Widerbeklagte wird verurteilt, an die Beklagte und Widerklägerin 3.057,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. März 2020 zu zahlen.
4)
Im übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
- Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
- Die Kosten des erstinstanzlichen Rechtsstreits tragen der Kläger zu 45 Prozent und die Beklagte zu 55 Prozent. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 62 Prozent und die Beklagte zu 38 Prozent.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung von Arbeitsvergütung und widerklagend um Schadensersatz.
Der Kläger, der einem Kind gegenüber unterhaltspflichtig war (Bl. 141 d.A), wurde bei der Beklagten seit dem 13. April 2015 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 7. April 2015 (Bl. 168 ff. d.A) bei einem Stundenlohn von 14,00 Euro brutto als LKW-Fahrer beschäftigt. Das Unternehmen der Beklagten ist mit Erd- und Abbrucharbeiten befasst.
Der Arbeitsvertrag sah vor, dass die Vergütung monatlich bargeldlos zum 15. des Folgemonats erfolgt. Nach einer Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 25. Februar 2019 war das Arbeitsverhältnis vom 11. bis 18. März 2019 unterbrochen, wurde dann aber auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 7. April 2015 einvernehmlich fortgesetzt. Der Kläger war jedenfalls bis zum 21. Juni 2019 bei der Beklagten "beschäftigt" (Bl. 2 d.A). Mit Schreiben vom 20. Juli 2019, dem Kläger zugegangen am 23. Juli 2019, erklärte die Beklagte die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 7. April 2015 war die folgende Ausschlussklausel vereinbart (Bl. 170 d.A):
"Ausschlussklausel
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb eines Monats nach Zugang der letzten Lohnabrechnung, schriftlich geltend gemacht werden, andernfalls sind sie verwirkt."
Im hier streitgegenständlichen Zeitraum der Jahre 2016-2019 besaß die Beklagte zwei Tankfässer mit einem Fassungsvermögen von 300 Litern und 1000 Litern, die zur Betankung der Baumaschinen mit den Firmenwagen zu den jeweiligen Baustellen transportiert und zur Betankung der dortigen Baumaschinen mit Diesel benutzt wurden (Bl. 95 d.A).
Am 18. Februar 2016 übergab die Beklagte dem Kläger als LKW-Fahrer eine Tankkarte zu dem Kennzeichen WXX-XX 00 inklusive PIN, womit der Kläger während seiner Arbeitszeit in Ausnahmefällen (Bl. 95 d.A) auch die von ihm zu benutzenden Baumaschinen betanken konnte. Die Tankkarte war dem Kläger ausschließlich zur dienstlichen Nutzung überlassen. Private Betankungen waren dem Kläger nicht gestattet (Bl. 17 d.A).
Am 7. Dezember 2017 übergab die Beklagte dem Kläger eine R.-Tankkarte mit der Nr. 0000, laut Begleitschreiben vom selben Tag (Bl. 26 d.A) "zum Gebrauch für Firmenfahrzeuge", was der Kläger mit seiner Unterschrift bestätigte (Bl. 20 d.A).
Für den Monat März 2019 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Lohnabrechnung (Bl. 135 d.A), der ein Rechenfehler zugrundelag. Die Beklagte hatte dem Kläger für den Arbeitstag am 29. März 2019 eine erbrachte Arbeitsleistung von 109,5 Stunden abgerechnet, obwohl der Kläger an diesem Tag 9,5 Stunden gearbeitet hatte. Aus diesem Rechenfehler ergab sich ein Zahlbetrag von 1.400,- Euro brutto, der mit der Lohnabrechnung für März 2019 versehentlich zur Auszahlung an den Kläger gelangte (Bl. 101 d.A).
Für den Monat Juni 2019 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Lohnabrechnung (Bl. 24 d.A), die als Ergebnis der Lohnarten "Lohnfortz.-Stdbasis, Stundenlohn, Feiertagslohn" einen Nettoauszahlungsbetrag von 1.771,27 Euro auswies.
Für den Monat Juli 2019 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Lohnabrechnung (Bl. 25 d.A), die mit der Bezeichnung "Urlaubslohn-Stdbasi...