Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsstrafenklausel in Formulararbeitsvertrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Vertragsstrafenabreden in formularmäßigen Arbeitsverträgen sind aufgrund der angemessenen Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB entgegen § 309 Nr. 6 BGB grundsätzlich wirksam. Zum Schutz des Arbeitnehmers ist jedoch ein strenger Maßstab anzulegen.
2. Vertragsstrafenabreden benachteiligen den Arbeitnehmer nicht schon generell unangemessen, da die Vertragsstrafe das berechtigte Bedürfnis der Arbeitgeberin sichert, eine arbeitsvertragswidrige und schuldhafte Beendigung der Arbeitstätigkeit seitens des Arbeitnehmers zu vermeiden. Der Arbeitnehmer wird auch nicht unangemessen benachteiligt, weil es an ihm liegt, seine Hauptpflichten zu erbringen, und die Arbeitgeberin ein berechtigtes Interesse an der Einhaltung der arbeitsvertraglichen Hauptpflicht hat, während der Arbeitnehmer in der Regel weder ein Recht noch ein schützenswertes Interesse daran hat, den Arbeitsvertrag zu brechen.
3. Eine Vertragsstrafenabrede "für den Fall der rechtswidrigen und schuldhaften Nichtaufnahme der Arbeit oder der vertragswidrigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses" ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht deshalb unwirksam, weil sie keinen Hinweis darauf enthält, dass die Vertragsstrafe nur verwirkt ist, wenn die Nichterbringung der geschuldeten Arbeitsleistung auf einem Verschulden des Arbeitnehmers beruht. Dies folgt zum Einen aus § 339 BGB und zum Anderen handelt es sich hierbei um einen für den Arbeitnehmer günstigen Umstand, wobei die Klausel nicht dahin verstanden werden kann, dass die Vertragsstrafe auch bei einem unverschuldeten Verhalten des Arbeitnehmers verwirkt sein soll.
4. Eine Vertragsstrafe "in Höhe des während der jeweils geltenden ordentlichen Kündigungsfrist erzielten Verdienstes, maximal in Höhe eines Bruttomonatslohnes, ohne Nachweis eines Schadens" ist nicht unangemessen. Eine Übersicherung der Arbeitgeberin liegt nicht vor, wenn eine der Dauer der Vertragsverletzung proportionale Vertragsstrafe formuliert ("in Höhe des während der jeweils geltenden ordentlichen Kündigungsfrist erzielten Verdienstes") und eine Obergrenze geschaffen ("maximal in Höhe eines Bruttomonatslohnes") wird, insbesondere wenn die Arbeitgeberin den Arbeitnehmer mit drei Schreiben auf den rechtwirksamen Kündigungstermin hinweist und ihm damit die Möglichkeit gibt, durch vertragstreues Verhalten die Höhe der Vertragsstrafe zu mindern oder sie ganz zu vermeiden.
5. Muss der Arbeitnehmer nach der vorformulierten Vertragsstrafenklausel bei vertragswidriger Lösung eine Vertragsstrafe von "maximal" einem Bruttomonatslohn befürchten, wird jedem durchschnittlichen verständigen Arbeitnehmer auch bei einer Auslegung im "verbraucherfeindlichsten" Sinne verständlich, dass er keine Vertragsstrafe in Höhe eines Monatslohns zahlen muss, wenn er das Arbeitsverhältnis nur einen Tag früher löst.
Normenkette
BGB § 305 Abs. 1, § 307 Abs. 1, § 309 Nr. 6, § 310 Abs. 4, §§ 339, 307 Abs. 1 S. 1, § 310 Abs. 4 S. 2, § 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Trier (Entscheidung vom 25.11.2015; Aktenzeichen 5 Ca 723/15) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 25. November 2015, Az. 5 Ca 723/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch über die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung einer Vertragsstrafe.
Der 1965 geborene Kläger war im Fensterbaubetrieb der Beklagten seit 1998 als Produktionsmitarbeiter zu einem Stundenlohn von zuletzt € 13,19 brutto beschäftigt. Im schriftlichen Formulararbeitsvertrag vom 06.03.2006 haben die Parteien ua. folgendes vereinbart:
"§ 9 Auflösung des Arbeitsverhältnisses
1. ...
2. ... Nach Ablauf der Probezeit ... vereinbaren die Parteien eine Kündigungsfrist von vier Wochen zum 15. eines Monats oder zum Monatsende. Tritt aufgrund gesetzlicher Bestimmungen eine Verlängerung der Kündigungsfrist ein, so gelten die verlängerten Kündigungsfristen für beide Teile. ...
§ 11 Vertragsbruch
Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, für den Fall der rechtswidrigen und schuldhaften Nichtaufnahme der Arbeit oder der vertragswidrigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Vertragsstrafe in Höhe des während der jeweils geltenden ordentlichen Kündigungsfrist erzielten Verdienstes, maximal in Höhe eines Bruttomonatslohnes, ohne Nachweis eines Schadens zu zahlen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, einen weitergehenden Schaden geltend zu machen."
Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis am 30.03. zum 31.05.2015. Die Beklagte teilte ihm am 31.03.2015 mit, dass sie die Kündigung zum 31.05.2015 nicht akzeptiere, weil die Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Monatsende nicht eingehalten sei. Der Kläger hielt an seiner Kündigung fest. Er legte der Beklagten ein Attest seines Hausarztes vom 14.04.2015 vor, in dem es heißt:
"Ich habe heute Herrn A. angeraten, aus gesundheitlichen Gründen seine aktuelle Arbei...