Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Zuweisung eines neuen Aufgabenbereichs. Grenzen des Direktionsrechts. Anspruch eines Arbeitnehmers auf Verteilung der Arbeitszeit. Abgrenzung von Urlaubsgewährung und Arbeitszeitverteilung nach einem Blockmodell
Leitsatz (amtlich)
1. Im bestehenden Arbeitsverhältnis hat der Arbeitnehmer Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung.
2. Das Direktionsrecht aus § 106 Satz 1 GewO erlaubt die Zuweisung anderer Tätigkeiten, sofern diese der bisherigen vertragsgemäßen Tätigkeit gleichwertig sind. Die Gleichwertigkeit bestimmt sich grundsätzlich nach der auf den Betrieb bezogenen Verkehrsauffassung und dem sich daraus ergebenden Sozialbild. Kriterien zur Ermittlung der Gleichwertigkeit sind insbesondere der unmittelbare Tätigkeitsinhalt, die Anzahl der unterstellten Mitarbeiter, der Umfang der Entscheidungsbefugnisse über den Einsatz von Sachmitteln oder Personal und die Einordnung der Stelle in der Betriebshierarchie.
3. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers kann arbeitsvertraglich beschränkt werden. Eine nachträgliche vertragliche Beschränkung des Direktionsrechts muss jedoch - wie jeder Rechtsverzicht - eindeutig erklärt werden. Allein das Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Zuweisung von Arbeitsaufgaben stellt nicht schon stets eine Vertragsänderung dar.
4. Im Verfahren der einstweiligen Verfügung obliegt dem Gericht die volle Rechtsprüfung, die aber lediglich auf einer summarischen Sachprüfung aufbauen kann. Sich hieraus ergebende Zweifel hinsichtlich der tatsächlichen Grundlagen einer vertraglichen Beschränkung des Direktionsrechts gehen zu Lasten des darlegungs- und beweispflichtigen Verfügungsklägers.
5. Erklärt sich der Arbeitnehmer auf den Ausspruch einer Änderungskündigung seitens des Arbeitgebers mit den geänderten Vertragsbedingungen unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung der Vertragsänderung einverstanden, so entfällt hierdurch mit dem Kündigungstermin der Verfügungsgrund für ein Eilverfahren über den Beschäftigungsanspruch zu den bisherigen Bedingungen.
Normenkette
GewO § 106 S. 1; BGB § 133; ZPO § 286 Abs. 1, § 916 Abs. 1, § 917 Abs. 1, §§ 935-936, 940
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 01.10.2019; Aktenzeichen 8 Ga 17/19) |
Tenor
- Die Berufung der klägerischen Partei gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 1. Oktober 2019 - 8 Ca 17/19 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision ist nicht zulässig.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Beschäftigung des Verfügungsklägers (künftig auch: Kläger).
Der Kläger war bei der Verfügungsbeklagten (künftig auch: Beklagte) seit dem 1. Mai 2012 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 27. Januar 2012 als Field Sales Manager Rubber bei einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 8.100,- Euro beschäftigt.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der C.-T. Gruppe, die weltweit Schmiermittel sowie Formtrennmittel für Gussverfahren herstellt und vertreibt. Als solche ist sie wiederum Bestandteil der F. Gruppe. Die Produktlinie der Beklagten bezieht sich auf Gummi- und Polyurethanformteile sowie Aluminium- und Magnesiumspritzguss und richtet sich an Automobilzulieferer, Reifenhersteller, Schuhhersteller, Unternehmen im Bereich Medizin, Raumfahrt und andere (Bl. 11 d.A).
Im Arbeitsvertrag der Parteien heißt es, soweit hier von Bedeutung (Bl. 5 d.A):
"1. Einstellung
Der Mitarbeiter wird zum 1. Mai 2012 oder früher als Field Sales Manager Rubber eingestellt. Dienstsitz ist der Wohnsitz des Mitarbeiters. [...] [Der Arbeitgeber] ist berechtigt, dem Mitarbeiter anderweitige, seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechende gleichwertige Tätigkeiten zu übertragen, ohne dass sich die Bezüge dadurch verändern."
Die im Zuge der Stellenausschreibung verfasste interne und streng vertrauliche (Bl. 10 d.A) Stellenbeschreibung aus dem Jahr 2012 hält zur Ausgestaltung der Stelle unter anderem fest (Bl. 12 d.A):
"II. Position and assignment
Position: Field Sales Manager Rubber Germany & Eastern Europe (m/f)
The successful candidate will:
- [...]
- [...]
- Directly manage 2 sales technicians within territory. The team may be expanded in the mid term."
Entsprechend dieser Stellenbeschreibung waren dem Kläger die Mitarbeiter C. J. und K. S. untergeordnet.
Dem entsprach auch die nachträglich erstellte Stellenbeschreibung, die den Kläger als Stelleninhaber ausweist (Bl. 101 d.A, Anlage AS4 = Bl. 91 ff. d.A [englisch] = Bl. 95 ff. d.A [deutsch]).
Vor diesem Hintergrund bezeichnet der Kläger seine Stelle in der Antragsschrift als "Vertriebsleiter".
Der Kläger war verantwortlich für die Vertriebsgebiete Deutschland, Österreich, Schweiz und Osteuropa. Bestandteil seiner Tätigkeit war hierbei die Führung, die Organisation und der Ausbau des dem Kläger zugeordneten Mitarbeiterteams - wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob prägend für die Stelle des Klägers der erstgenannte Vertrieb durch den Kläger selbst (Bl. 2 d.A) oder die zweitgenannten Führungsaufgaben waren (Bl. 35, 101 d.A...