Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung eines Aufhebungsvertrages nach Drohung mit außerordentlicher Kündigung und Strafanzeige. Unbegründete Kündigungsschutzklage einer Altenpflegerin bei unzureichenden Darlegungen zur Widerlegung des vom Arbeitgeber dargelegten Arbeitszeitbetruges

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung ist widerrechtlich im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen darf.

2. Die Widerrechtlichkeit der Kündigungsandrohung kann sich regelmäßig nur aus der In-Adäquanz von Mittel und Zweck ergeben; hat der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist die Drohung nach Treu und Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen, ist die Drohung widerrechtlich.

3. Muss der Arbeitgeber unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls davon ausgehen, dass die angedrohte Kündigung im Falle ihres Ausspruchs einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten wird, darf er die außerordentliche Kündigungserklärung nicht in Aussicht stellen, um damit die Arbeitnehmerin zum Abschluss einer Beendigungsvereinbarung zu veranlassen; maßgeblich ist insoweit der objektiv mögliche und damit hypothetische Wissensstand des Arbeitgebers.

4. Die anfechtende Arbeitnehmerin trägt die Beweislast für sämtliche Voraussetzungen des Anfechtungstatbestandes und hat die Tatsachen darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, die die angedrohte Kündigung als widerrechtlich erscheinen lassen; dazu kann die anfechtende Arbeitnehmerin insbesondere die vom Arbeitgeber benannten Zeugen ihrerseits für die Unrichtigkeit des Sachvortrages des Arbeitgebers benennen.

5. Hat der Arbeitgeber festgestellt, dass die als Altenpflegerin beschäftigte Arbeitnehmerin falsche Angaben hinsichtlich der zeitlichen Lage der erbrachten Pflegeleistungen dokumentiert und einen Pflegehaushalt als besucht aufgeführt hat, ohne diesen jedoch an dem betreffenden Tag tatsächlich aufgesucht zu haben, darf der Arbeitgeber verständigerweise davon ausgehen, dass gegen die Arbeitnehmerin zumindest der dringende Verdacht eines Arbeitszeitbetruges vorliegt und deshalb eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung in Erwägung ziehen, insbesondere wenn das Verhalten der Arbeitnehmerin auch einen gravierenden Verstoß gegen die ihr erteilte Dienstanweisung darstellt, wonach die Beschäftigten verpflichtet sind, die mobile Datenerfassung gewissenhaft und wahrheitsgemäß zu führen.

6. Die Androhung einer Strafanzeige zum Zwecke der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses ist nur dann als unangemessen und somit rechtswidrig zu beurteilen, wenn dies das Ergebnis einer Gesamtwürdigung aller Umstände unter besonderer Berücksichtigung der Belange der Bedrohten als auch des Drohenden ist; dabei kommt es auf das Gewicht des erhobenen Vorwurfs an, ob also bei einem bestimmten Sachverhalt ein verständiger Arbeitgeber auch eine Strafanzeige ernsthaft in Erwägung ziehen würde.

7. Stellt der Arbeitgeber nicht nur ein sondern zwei Übel in Aussicht und sind beide Mittel einzeln nicht geeignet, die Drohung zum Zwecke der einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses als rechtswidrig anzusehen, kann auch die gleichzeitige Androhung von beiden Übeln nicht zur Rechtswidrigkeit führen.

 

Normenkette

BGB § 123 Abs. 1, § 623; ZPO § 138 Abs. 1-2, § 373

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 12.03.2015; Aktenzeichen 6 Ca 435/14)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 12.3.2015, Az. 6 Ca 435/14, wie folgt abgeändert:

    Die Klage wird abgewiesen.

  • II.

    Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  • III.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages.

Die am 14.11.1964 geborene Klägerin war seit dem 01.01.2012 bei dem Beklagten als examinierte Altenpflegerin beschäftigt. Am 07.02.2014 kam es zu einem Gespräch zwischen der Geschäftsleitung des Beklagten und der Klägerin, bei dem neben dem Geschäftsführer des Beklagten auch dessen stellvertretender Vorsitzender, die Pflegedienstleiterin und der Vorsitzende der Mitarbeitervertretung anwesend waren. Bei diesem Gespräch wurde der Klägerin vorgeworfen, falsche Angaben bei der Dokumentation der von ihr erbrachten Pflegeleistungen sowie der geleisteten Arbeitszeiten in das mobile Datenerfassungsgerät eingegeben bzw. zwei Auszubildende dazu veranlasst zu haben, dies für sie zu erledigen. Des Weiteren wurde der Klägerin vorgeworfen, die von der Pflegedienstleitung vorgegebenen Touren eigenmächtig geändert zu haben, um Arbeitspausen einlegen zu können.

Gegen Ende dieses Gespräches unterzeichnete die Klägerin eine Vereinbarung, hinsichtlich deren Inhalt im Einzelnen auf Blatt 9 f. d. A. Bezug genommen wird und die unter § 1 folgende Regelung enthält:

"Die Parteien sind sich dar...

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