Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtigkeit einer Verschwiegenheitsvereinbarung und Unterlassungsverpflichtung. Unwirksamkeit einer Vertragsstrafe. Tatsachenbehauptungen über frühere Arbeitgeberin im Internet. Reichweite arbeitsvertraglicher Verschwiegenheitspflicht. Untauglicher Unterlassungsantrag gegen unterbliebene Löschung einer Textpassage aus Facebook-Eintrag. Unbegründete Unterlassungsklage der Arbeitgeberin bei Tatsachenbehauptung einer ausgeschiedenen Redakteurin in Facebook-Forum zum Einfluss der Verlagsgesellschaft auf Zeitungsinhalte
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Reichweite einer arbeitsvertraglich vereinbarten Verschwiegenheitspflicht und einer entsprechenden Unterlassungspflicht aus einer Unterlassungserklärung zu betriebsinternen Vorgänge und Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG verfassungskonform auszulegen, da insoweit nur Äußerungen über solche betriebsinternen Vorgänge und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse untersagt sind, an deren Geheimhaltung die Arbeitgeberin ein berechtigtes Interesse hat.
2. Auch Tatsachenbehauptungen mit Meinungsbezug genießen grundsätzlich den Grundrechtsschutz; die Behauptung einer Tatsache ist streng genommen zwar keine Meinungsäußerung, fällt aber gleichwohl in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit, weil und soweit sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen ist, welche Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG in seiner Gesamtheit gewährleistet.
3. Der Schutz von Tatsachenbehauptungen endet erst dort, wo sie zur Meinungsbildung nichts beitragen können, so dass nur die bewusst oder erwiesen unwahre Tatsachenbehauptung nicht vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst wird.
4. Hat die Arbeitnehmerin ihre Äußerung in einem Diskussionsforum bei Facebook gemacht, in dem es um die Frage geht, inwiefern der Geschäftsführer der Arbeitgeberin sowie ein geschäftsführender Gesellschafter "Einfluss" auf den Inhalt der Zeitung nehmen, ist das Interesse der Arbeitnehmerin an freier Kommunikation und Kritik im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Meinungsfreiheit zu berücksichtigen, die für die Beurteilung der Vertragsrechte und Vertragspflichten auch und gerade in Bezug auf die Pflichtenstellung einer ausgeschiedenen Arbeitnehmerin Maßstäbe setzt.
5. Auch die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) ist um der Meinungsfreiheit willen (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) gewährleistet; sie soll der öffentlichen Meinungsbildung das Forum der Medien für die freie geistige Auseinandersetzung garantieren, so dass es mit diesen Zielen nicht vereinbar ist, wenn ein Zeitungsverlag die Pressefreiheit auch dafür in Anspruch nimmt, den redaktionellen Arbeitsbereich und seine Entscheidungsstrukturen unter Berufung auf das Redaktionsgeheimnis von vornherein einer öffentlichen Diskussion zu entziehen, die durch die Verfassungsgarantien des Art. 5 Abs. 1 GG gesichert, aber nicht beschränkt werden soll.
6. Ist ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Arbeitgeberin weder vorgetragen noch ersichtlich, kann nicht angenommen werden, dass schutzwürdige Arbeitgeberinteressen gegenüber den Interessen der Arbeitnehmerin an der freien Meinungsäußerung überwiegen und bei verfassungskonformer Auslegung die von der Arbeitnehmerin übernommenen Verschwiegenheitspflichten nicht ihre durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Äußerung erfassen, weil hierdurch kein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Arbeitgeberin beeinträchtigt wird.
7. Allein in der unterbliebenen Löschung einer entsprechenden Textpassage aus dem "Facebook-Eintrag" liegt keine Zuwiderhandlung gegen die mit einer Unterlassungserklärung übernommene Unterlassungsverpflichtung; die Nichtbeseitigung einer Textpassage stellt keine fortgesetzte Erneuerung der Äußerung dar, so dass ihr nicht mit einem Unterlassungsantrag begegnet werden kann.
Normenkette
BGB §§ 138, 157, 242, 307 Abs. 1; GG Art. 5 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Trier (Entscheidung vom 02.08.2012; Aktenzeichen 2 Ca 526/12) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 02.08.2012 - 2 Ca 526/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Zahlung einer Vertragsstrafe in Anspruch.
Die Beklagte war bei der Klägerin, die die "E.-Zeitung" herausgibt, aufgrund Arbeitsvertrags vom 26. Oktober 2011 (Bl. 7-12 d.A.) seit 1. Dezember 2011 als Redakteurin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung der Beklagten zum 21. Februar 2012. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält u.a. folgende Regelung:
"§ 11 Verschwiegenheitspflicht
Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, während und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses über alle betriebsinternen Vorgänge sowie über alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse absolutes Stillschweigen zu bewahren.
Die Verschwiegenheitspflicht erstreckt sich ebenfalls auf die in § 4 getroffene Vergütungsvereinbarung.
Die Verschwiegenheitspflicht erstreckt sich auf Angelegenheiten anderer Firmen, mit denen d...