Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines tariflich unkündbaren Arbeitnehmers wegen Verunglimpfung von Vorgesetzten auf seiner Facebook-Seite

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung (hier: Verunglimpfung von Vorgesetzten auf der Facebook-Seite des Arbeitnehmers) setzt regelmäßig eine Abmahnung voraus. Das gilt jedenfalls dann, wenn es sich um ein steuerbares Verhalten handelt und zu erwarten ist, dass der Arbeitnehmer das Verhalten nach Erteilung der Abmahnung einstellen wird.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 19.07.2016; Aktenzeichen 8 Ca 316/16)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 19.07.2016, Az.: 8 Ca 316/16 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer außerordentlichen, hilfsweise außerordentlichen Kündigung unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist sein Ende gefunden hat oder aber nicht.

Der 1962 geborene Kläger ist seit 1991 bei der Beklagten beschäftigt. Zunächst war er als Lokführer tätig und dann wegen einer Parkinsonerkrankung und einem Grad der Behinderung von 50 seit 2011 im Lager. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis kann nur noch aufgrund wichtigen Grundes beendet werden.

Bei der Beklagten existiert eine Konzernbetriebsvereinbarung "für Gleichbehandlung und kollegiales Miteinandergegen Fremdenfeindlichkeit und antidemokratische Tendenzen". Diese hat u. a. folgenden Wortlaut:

"Präambel

Der Anstieg rechtsextremer und fremdenfeindlicher Gewalttaten in der Bundesrepublik Deutschland fordert von allen gesellschaftlichen Gruppen aktives Handeln. Diese Taten schaden in erster Linie den Opfern von Gewalttaten, aber auch dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland und der deutschen Unternehmen, auch der Deutschen Bahn AG, im Ausland und gefährden das kollegiale Klima in den Betrieben...Zum anderen soll antidemokratischen und neonazistischen Tendenzen im DB-Konzern vorgebeugt und entgegen gewirkt werde...

§ 3 Grundsätze

(2) Die Grundsätze für Gleichbehandlung und kollegiales Miteinander im DB-Konzern umfassen insbesondere

- das Auftreten gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und antidemokratische sowie neonazistische Tendenzen im Betrieb, in Einrichtungen, in denen die DB AG das Hausrecht ausübt und in der Öffentlichkeit".

Der Kläger teilte auf seiner Facebook-Seite im allgemeinen zugänglichen Bereich mehrere Posts. Der Kläger hat sich dort auf der Facebook-Seite als "Lagerist bei der C. und XY und Triebwagenführer bezeichnet (vgl. Bl. 26 d. A.). Die Hinweise auf den Arbeitgeber sind mittlerweile gelöscht.

Der Kläger hat die in Bl. 27 bis 31 d. A. wiedergegebenen Posts im Hinblick auf die Flüchtlingsproblematik und seine Arbeitstätigkeit geteilt. Des Weiteren existiert ein Foto (Bl. 51 d. A.) von Kollegen, das mit "3 Promillos" überschrieben wurde. Ein Bild mit dem Betriebsrat und Begleitung (Bl. 54 d. A.) hat der Kläger mit "und so was wird gewählt, kamerageil"; "Schirmträger und Schleimer" kommentiert. Der Kläger hat außerdem Postings geteilt mit folgendem Spruch (Bl. 55 d. A.): "Unser Chef war ein Wunderkind. Er hatte schon mit 6 Jahren dieselben Fähigkeiten wie heute! Wie wahr". Des Weiteren "Chef meint, ich soll mich bei der Arbeit nicht von jedem Penner ablenken lassen, habe ihn ignoriert" (Bl. 56 d. A.) und "Arschkriechergel im Verbandskasten für jeden Arbeitgeber Pflicht"; unter diesem Foto ist ein Dialog, in dem ein anderer Kollege einen Bezug zu einem Vorgesetzten darstellt (Bl. 57 d. A.).

Die Beklagte wurde per E-Mail von einem Mitarbeiter auf dem Facebook Account aufmerksam gemacht, durchsuchte diesen und speicherte die Einträge. Die Beklagte holte sodann die Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung ein, die am 15.02.2016 (Bl. 58 d. A.) erteilt wurde.

Am 01.02.2016 wurde der Betriebsrat angehört und am 03.02.2016 noch einmal wegen weiterer Postings. Der Betriebsrat ließ die Äußerungsfrist verstreichen.

Mit Schreiben vom 15.02.2016 hat die Beklagte eine außerordentliche Kündigung und hilfsweise eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist erklärt; hinsichtlich des Inhalts des Kündigungsschreibens wird auf Bl. 6 d. A. Bezug genommen.

Der Kläger hat vorgetragen,

er habe die beanstandeten Einträge nicht gepostet, sondern lediglich geteilt. Er habe nicht erkennbar den Einträgen zugestimmt oder sie gebilligt. Das Foto mit der Bemerkung "die 3 Promillos" stamme von einem Kollegen und sei vom Kläger nur geteilt worden. Es handele sich um eine von der Meinungsfreiheit geschützte Äußerung mit schwarzem Humor und Satire. Die Sprüche und Witze über "Chefs" seien allgemein und es sei erkennbar, dass keine bestimmte Person vom Kläger gemeint sei. Insoweit sei eine Abmahnung als milderes Mittel hier ausreichend. Der Kläger habe sich in 24...

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