Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit einer außerordentlichen Änderungskündigung bei fehlender Vertretungsmacht und fehlenden Vorlage einer Vollmachtsurkunde sowie der Unbestimmtheit des Änderungsangebots
Leitsatz (redaktionell)
1. Voraussetzung für eine Kündigung ist nicht, dass der Begriff der Kündigung selbst gebraucht wird. Entscheidend ist, dass die kündigende Arbeitgeberin eindeutig ihren Willen kundgibt, das Arbeitsverhältnis einseitig lösen zu wollen.
2. Auch bei formbedürftigen Erklärungen (§ 623 BGB) sind Umstände außerhalb der Urkunde mit zu berücksichtigen, soweit sie unstreitig oder bewiesen sind und der daraus abgeleitete Wille in der Urkunde einen wenn auch unvollkommenen Ausdruck gefunden hat.
3. Bei der Kündigung als einseitigem Rechtsgeschäft ist eine Vertretung ohne Vertretungsmacht grundsätzlich ausgeschlossen (§ 180 Satz 1 BGB). Die Beanstandung der Vertretungsmacht führt ebenso wie die Zurückweisung zur Unwirksamkeit des einseitigen Rechtsgeschäfts, wenn eine wirksame Vertretungsmacht nicht besteht.
4. Eine Erklärung kann gleichzeitig eine Beanstandung gemäß § 180 Satz 2 BGB und eine Zurückweisung gemäß § 174 Satz 1 BGB enthalten, sofern aus ihr eindeutig hervorgeht, dass das Bestehen der Vertretungsmacht bemängelt und zugleich das Rechtsgeschäft wegen der fehlenden Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückgewiesen wird.
5. Wird ausweislich des Kündigungsschreibens lediglich die Weiterbeschäftigung "zum nächstmöglichen Termin" angeboten und ist auch unter Berücksichtigung der Begleitumstände einer hilfsweisen Änderungskündigung nicht erkennbar, ab welchem Zeitpunkt die angebotenen Änderungen gelten sollen, sind das Änderungsangebot und insbesondere der Zeitpunkt, ab dem dieses gelten soll, nicht hinreichend bestimmt oder bestimmbar.
6. Die Arbeitgeberin ist bei einer unter Vorbehalt angenommenen Änderungskündigung aufgrund des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs grundsätzlich nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer vorläufig zu den bisherigen Bedingungen weiter zu beschäftigen. Das gilt bis zur Rechtskraft einer der Änderungsschutzklage stattgebenden Entscheidung.
Normenkette
BGB §§ 145, 174 Sätze 1-2, § 177 Abs. 1, § 180 Sätze 1-2, § 184 S. 1, § 242; KSchG §§ 2, 8, 2 S. 1; BGB § 623
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 16.08.2017; Aktenzeichen 7 Ca 273/17) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 16. August 2017, Az. 7 Ca 273/17, wird zurückgewiesen.
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 16. August 2017, Az. 7 Ca 273/17, wird zurückgewiesen.
- Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 1/5, die Beklagte 4/5 zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über Änderung der Arbeitsbedingungen durch die mit Schreiben vom 2. März 2017 ausgesprochene außerordentliche Änderungskündigung sowie durch die mit Schreiben vom 27. März 2017 ausgesprochene außerordentliche Änderungskündigung sowie die Weiterbeschäftigung des Klägers für die Dauer des Kündigungsschutzverfahrens als stellvertretender Leiter der Feuerwehr in D-Stadt.
Der 1964 geborene, verheiratete Kläger hat drei Kinder, von denen er zwei gegenüber unterhaltsverpflichtet ist. Er ist seit dem 6. September 1982 bei den US-Streitkräften beschäftigt. Zuletzt im Juni 2013 war er als stellvertretender Leiter der Feuerwehr in D-Stadt tätig. Der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst des Klägers beträgt circa 6.300,00 Euro. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften (TV AL II) Anwendung. Der Kläger, der das 40. Lebensjahr vollendet hat, ist nach einer anrechenbaren Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren grundsätzlich - mit Ausnahme nur der in § 8 Ziff.2 des Tarifvertrags über Rationalisierungs-, Kündigungs- und Einkommensschutz (SchutzTV) genannten Fälle - ordentlich unkündbar, §§ 8 Ziff. 1 , 1 Ziff. 1 SchutzTV.
In der Beschäftigungsdienststelle des Klägers werden regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt.
Mit Schreiben vom 20. Juni 2013 kündigten die US-Streitkräfte den Kläger außerordentlich. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz stellte durch Urteil vom 6. Oktober 2014 (Az. 2 Sa 123/14; Vorinstanz: Arbeitsgericht Kaiserslautern Az. 1 Ca 847/13) fest, dass das Arbeitsverhältnis durch diese Kündigung nicht beendet wurde, da die Betriebsvertretung nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. In diesem Verfahren ließ die Beklagte im Zusammenhang mit der Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 19. August 2013 (vgl. Bl. 215 f. d. A.) unter anderem vortragen:
"c. Kenntnis des Kündigungsberechtigten
Von diesen Fakten erhielt der allein kündigungsberechtigte damalige Dienststellenleiter, Herr Z. N. Y., am ... erstmals ... Kenntnis.
(...)
Der als (damaliger) Dienststellenleiter allein kündigungsberechtigte Herr Z. N. Y. erlangte ers...